Krieg gegen die Ukraine Menschenrechtler befürchten Hungersnot
Russland bombardiert gezielt Infrastruktur in der Ukraine. Teile Kiews haben deswegen stundenweise keinen Strom, auch anderen Regionen droht das. Menschenrechtler warnen vor einer Hungerkatastrophe.
Menschenrechtler befürchten, dass in der Ukraine viele Menschen verhungern könnten - wegen ständiger Raketenangriffe Russlands auf die Infrastruktur. "Sobald die Temperaturen unter null sinken, werden viele Menschen sterben, wenn Hilfe ausbleibt", erklärte die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt.
"Putin nimmt Hungertod vieler Ukrainer in Kauf"
Zu den historischen Erfahrungen der Ukrainer gehöre die vom früheren sowjetischen Diktator Josef Stalin (1878-1953) mit brutaler Gewalt durchgesetzte Tötung durch Hunger ("Holodomor"), die mehrere Millionen Ukrainer in den 1930er Jahren auf grausame Weise das Leben gekostet habe. Mit der gezielten Verschlimmerung einer Hungersnot wollte Stalin die Bauern und Bäuerinnen zwingen, sich seiner Zwangskollektivierungspolitik zu beugen - also die Selbstständigkeit abzulegen und sich in staatlich kontrollierbaren Kollektiven zusammenzuschließen.
Jetzt sei der russische Präsident Wladimir Putin dabei, "den Hungertod vieler Ukrainer erneut in Kauf zu nehmen", so die Menschenrechtsorganisation, die nach eigenen Angaben in einem landesweiten Netzwerk in der Ukraine Stützpunkte für humanitäre Hilfe unterhält. Die massiven Zerstörungen von Infrastruktur durch die Angriffe der russischen Armee hätten dramatische Folgen.
Nur wenige Stunden Strom pro Tag in Kiew
In der Hauptstadt Kiew gebe es aktuell täglich nur vier Stunden Strom. In ländlichen Regionen sei die Situation ebenfalls dramatisch. Nationale und internationale Hilfsorganisationen könnten ohne Strom nicht mit ihren Stützpunkten kommunizieren, allen fehle es an Generatoren und satellitengestützten Mobilfunkgeräten. Die IGFM appelliert an alle Menschen in Deutschland, die auf die von der Bundesregierung ausgeschüttete Energiepauschale nicht dringend angewiesen seien, "diesen Zuschuss teilweise oder ganz an Organisationen zu spenden, die in der Ukraine humanitäre Hilfe leisten".
Für heute wurden erneut massive Stromabschaltungen in Kiew angekündigt. Es werde schlimmer als ursprünglich befürchtet, schrieb der Generaldirektor des staatlichen Versorgers Ukrenergo, Sergy Kowalenko, auf Facebook. Laut humanitärem Völkerrecht müssen eigentlich "alle möglichen Maßnahmen" unternommen werden, um das Leben von Zivilisten sowie grundlegende Infrastruktur wie Kraftwerke oder Wasserversorgung zu schützen.
Selenskyj ruft Landsleute zum Durchhalten auf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Landsleute angesichts der russischen Angriffe auf das Stromnetz und andere wichtige Infrastruktur zum Durchhalten aufgerufen. "Wir müssen durch diesen Winter kommen und im Frühling noch stärker sein als jetzt", sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Ansprache an die Nation. Zuvor hatte bereits der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko vor einem Blackout gewarnt, sollte Russland seine Angriffe fortsetzen. Dann könne nicht ausgeschlossen werden, dass Strom, Wasser und Heizung in Kiew ausfallen, sagte Klitschko im ukrainischen Fernsehen.
"Wir tun alles, um das zu verhindern. Aber lasst uns offen sein: Unsere Feinde tun alles dafür, damit diese Stadt ohne Heizung, ohne Strom, ohne Wasserversorgung dasteht, allgemein, dass wir alle sterben." Kiew plant die Einrichtung von etwa 1000 Wärmestuben. Ob das für die derzeit drei Millionen Einwohner reichen würde, ist fraglich.