Nach dem Hochwasser Venedig setzt auf Sperrwerk und Glasmauer
Salzwasser zerfrisst die Kulturstätten Venedigs. Denn die Hochwasser dringen bis in den letzten Winkel vor, zuletzt im Herbst 2019. Ein Sperrwerk könnte die Stadt schützen - sicher ist das aber nicht.
Es riecht ein bisschen nach Schimmel, die Luft ist feucht, es ist halbdunkel hier in der Krypta unter dem Markusdom in Venedig. Beim Hochwasser vom 12. November stand hier überall Salzwasser, erzählt Pierpaolo Campostrini. Er ist Prokurator, also für die Erhaltung des Gebäudes zuständig.
Auf den ersten Blick sieht man kaum Schäden, aber dann kratzt Campostrini relativ weit oben an der Wand, kleine Steinchen lösen sich. Er zerreibt sie, leckt daran - sie schmecken salzig, sagt er. Der Grund: Das Salzwasser hat sich durch die ganze Wand nach oben gesogen, ist dann getrocknet. Aber das Salz ist geblieben und zerstört jetzt langsam das Mauerwerk, sagt Campostrini:
Wenn es ein Erdbeben gibt, entlädt sich sehr viel Energie in wenigen Sekunden. Man sieht sofort, was passiert ist. Hier geht alles langsamer. Praktisch altert das Material vorzeitig, vor allem Marmor und Ziegelsteine."
Pierpaolo Campostrini, Prokurator des Markusdoms, steht in der Krypta der Basilika und zeigt auf das Fenster, durch das das Hochwasser im November 2019 gedrungen ist. Das Salzwasser stand in der Krypta und drang durch das Gemäuer.
Pflaster und gläserne Mauer zum Schutz
Oben im Dom haben sich Mosaiksteine gelöst - durch den Druck des Wassers von unten. Die Mosaike sind jetzt mit einer Art Pflaster abgeklebt, sollen restauriert werden.
Der ganze Markusdom soll möglichst bald mit einer etwa hüfthohen gläsernen Mauer umzäunt werden. Denn jedes weitere schlimme Hochwasser kann verheerende Folgen haben, weil das Mauerwerk schon vorgeschädigt ist, sagt Campostrini.
Eine Glasmauer soll den Markusdom in Zukunft schützen. Das Hochwasser drang tief in die Basilika ein im Herbst 2019.
Es hat sich etwas verändert mit dem Meer und mit dem Hochwasser in den letzten Jahren: Schlimme Flutwellen kommen häufiger und schneller, das beobachten viele in der Stadt. Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro sagt es so: "Wir stehen vor etwas Unberechenbarem. Es reicht nicht, nur zu sagen: Es gibt keine Veränderungen mehr. Wir müssen lernen, uns anzupassen."
Hoffen auf Mose
Anpassen - wie soll das gehen? Luigi Brugnaro hofft auf Mose. Das Projekt mit dem biblischen Namen hat auch eine fast biblisch lange Vorgeschichte. Schon seit den 1980er-Jahren gab es erste Überlegungen, die Lagune von Venedig zeitweise zu sperren, um zu verhindern, dass Hochwasser die Stadt überschwemmt. Beschlossen wurde das Projekt in den 1990ern, Baubeginn war in den 2000ern und dann: Korruption, Bauverzögerungen, diverse Gerichtsprozesse.
Mose ist ein Symbol geworden für vieles, was falsch läuft in Italien. Doch jetzt soll Mose so gut wie fertig sein.
Bauarbeiten für Sperranlage laufen noch
Auf einer künstlichen Insel am Rand der Lagune ist die Schaltzentrale von Mose. Wer hier hin möchte, muss einen Bauarbeiterhelm tragen. Denn noch immer werden Anlagen gebaut, wird Material transportiert.
Ende kommenden Jahres könne Mose in den Normalbetrieb gehen, verspricht die Baugesellschaft. Dann sollen bei starker Flut Barrieren aus Metall vom Meeresgrund nach oben steigen und dem Wasser den Weg in die Lagune versperren.
Jeden Tag die Lagune abriegeln?
Doch auch an Mose gibt es Kritik: Unter anderem befürchten Naturschützer Schäden am empfindlichen Ökosystem der Lagune.
Hinzu kommt die Frage: Bringt Mose überhaupt etwas? Der Ozeanograph Georg Umgiesser vom Institut für Meereskunde in Venedig meint: Mose kann gegen das Hochwasser helfen - erst einmal. Denn der Meeresspiegel steige und das bedeute: Am Ende dieses Jahrhunderts müsse man Mose rund einmal täglich in Betrieb nehmen. Das sei nicht praktikabel.