EU-Minister zu Verbrennerverbot Gespannte Blicke auf Deutschland
Über das geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennermotor ab 2035 stimmt heute der EU-Ministerrat ab. Deutschlands Position war zuletzt in der Ampel-Koalition umstritten. Umweltministerin Lemke will mit Ja stimmen, erwartet aber lange Verhandlungen.
Die EU-Kommission will es, das Europaparlament ebenfalls: Ein Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren ab 2035. Heute beschäftigen sich die EU-Umweltminister mit der zunehmend umstrittenen Frage.
Umweltministerin Steffi Lemke rechnet mit schwierigen Verhandlungen - möglicherweise bis in die Nacht. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF kündigte sie an, die EU-Kommission bei dem Ziel unterstützen zu wollen, ab 2035 keine Pkw mehr zuzulassen, die CO2 ausstoßen.
Lemke und der Streit mit der FDP
Für Lemke werden es komplizierte Gespräche, denn die Ampel-Koalition war sich zuletzt nicht einig über die deutsche Position. Noch im März schien klar: Die Bundesregierung unterstützt ein Verbrenner-Verbot, doch dann legte die FDP ein Veto ein und forderte, Verbrenner weiter zu erlauben, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt werden. Die Grünen lehnten das ab. Beobachter hatten wegen der Unstimmigkeiten eine deutsche Enthaltung erwartet.
Lemke deutete im Morgenmagazin an, dass nun ein Kompromiss gefunden wurde: "Wir haben uns darauf verständigt, dass nochmal deutlicher herausgearbeitet wird, dass es Bereiche gibt, in denen auch andere Technologien – also nicht im Pkw-Bereich – auch andere Technologien nach 2035 zum Einsatz kommen können", sagte die Umweltministerin. Heißt: E-Fuels könnten erlaubt werden, aber nicht für Pkw.
Widerstand auch aus anderen EU-Ländern
Auch wenn Deutschland die Position der EU-Länder nicht alleine festlegen kann, werden andere Staaten genau beobachten, wie sich Lemke heute in Luxemburg positioniert. "Es ist wahrscheinlich, dass andere folgen werden, wenn Berlin nicht für ein Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor bis 2035 stimmt", sagte ein EU-Diplomat jüngst der Nachrichtenagentur dpa. Eine Meinung, die auch von anderen Experten geteilt wird.
Mehrere EU-Länder wollen das Ende der Verbrennungsmotoren um fünf Jahre auf 2040 verschieben und einen entsprechenden Vorstoß aus Italien unterstützen. Bulgarien und Portugal etwa, aber auch Rumänien und die Slowakei, Ungarn könnte ebenfalls dabei sein.
Sollte sich Deutschland wegen des Streits in der Ampel-Koalition enthalten, wäre ein vorläufiges Scheitern der bisherigen Pläne durchaus möglich. Weil nach dem System der qualifizierten Mehrheit abgestimmt wird, können Staaten den Gesetzentwurf blockieren, wenn sie zusammen für mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Sollte Deutschland nicht Ja sagen, wäre das der Fall. Dann müssten Kommission, EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten nach einem neuen Kompromiss suchen.
Habeck: "Europa ist ja eine lebende Kompromiss-Maschine"
Der grüne Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Montag in der Verbrennerfrage Kompromissbereitschaft angedeutet, ohne nähere Details zu nennen: "Europa ist ja eine lebende Kompromissmaschine, und an der arbeiten wir mit", sagte Habeck. Man müsse für verschiedene "Spezial-Sichtweisen" unterschiedlicher EU-Staaten eine gute Lösung finden, erklärte er.
Die Unionsparteien bauen Druck gegen ein Verbot auf. "Ich appelliere an die Bundesregierung, nicht vorschnell Technologien aus dem Markt zu drängen, die Alternativen zum Elektroauto werden können", sagte Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Man wisse heutzutage noch nicht, welche Entwicklungssprünge synthetische Kraftstoffe eventuell machten.
Greenpeace forderte dagegen eine harte Linie von Deutschland und kritisierte die Grünen für die Kompromissbereitschaft. "Die Grünen scheinen jede Ambition auf Klimaschutz im Verkehr aufzugeben", sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan der dpa.
Einige Länder sind schneller als die EU
In manchen Ländern gibt es bereits seit einiger Zeit ein Ausstiegsdatum für Verbrennermotoren: Norwegen zum Beispiel will ab 2025 keine Verkäufe von Fahrzeugen mit klassischen Benziner- oder Dieselantrieben mehr zulassen. Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande und Belgien peilten dafür zuletzt das Jahr 2030 an, Frankreich wollte spätestens 2040 nachlegen. Sogar das riesige Schwellenland Indien will mittelfristig aus der herkömmlichen Antriebstechnik aussteigen.