Nach dem Tod Prigoschins Der heikle Umbau der Wagner-Truppe
In Afrika hat der Umbau der russischen Wagner-Gruppe schon vor dem Tod ihres Chefs Prigoschin begonnen. Doch wo die Truppe wie eingegliedert wird, ist noch unklar. Es geht um politischen Einfluss und um viel Geld.
Elitesoldaten springen gekonnt aus einem landenden Hubschrauber in den Wüstensand Malis und verharren, bis die Kamera aus ist: Ein kurzer Hochglanz-Werbeclip im Internet über Russlands Wagner-Truppe bei der Arbeit, gerichtet an das Publikum zu Hause, ebenso wie an die Entscheidungsträger in Afrika. Die Botschaft: Es gibt uns noch und Ihr könnt Euch auf uns verlassen.
Zuversicht bei den betroffenen Regierungen in Afrika schaffen - soweit mag das noch im Sinne des Kreml und seines Verteidigungsministeriums sein. Klar ist aber auch: Der Umbau von Wagner hat begonnen, unsicher ist nur, wohin die Reise gehen soll. Am einfachsten war es bislang in Syrien, wo Russland eigene Armeeeinheiten unterhält. Hier wurden Wagner-Aktivitäten schon vor dem Aufstand Jewgenij Prigoschins im Juli und dem Absturz seines Flugzeuges im August durch das russische Verteidigungsministerium behindert.
Zuletzt, so ein Wagner-Blogger, habe die russische Armee sogar Landebahnen blockiert, um Nachschub für die Söldnertruppe zu unterbinden. Dennoch: Nach dem Tod der Wagner-Spitze habe sich eine Mehrheit der Wagner-Kämpfer in Syrien dem Verteidigungsministerium unterstellt, erklärte Sicherheitsexpertin Vanda Felbab-Brown jüngst auf einer Veranstaltung der Brookings Institution: "Das war einfach - das russische Militär hat dort die volle Kontrolle."
Ein verschlungenes Firmengeflecht
Woanders geht das nicht so einfach, etwa in der Zentralafrikanischen Republik. Hier sind die Aktivitäten der mehr als 1.000 Söldner eng verschmolzen mit Wagners Wirtschaftsaktivitäten: Gold, Diamanten, Holzkonzessionen und sogar Alkohol und Kaffee sind inzwischen zur Kriegswährung geworden, mit der sich Wagner bezahlen lässt.
Verschiedene Firmen agieren unter dem Wagner-Dach - das Geflecht muss erstmal verstanden werden und ist kaum für eine einfache Lösung geeignet. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Wagner-Statthalter Wital Perfilew erstmal ungestört weitermachen darf.
Probleme in Mali
In Mali hat Wagner ganz andere Sorgen. Die mehr als 1.000 Wagnerkämpfer müssen eine Sicherheitslücke füllen, die die viel größere UN-Friedenstruppe (mit ihrem Bundeswehrkontingent) und die Franzosen hinterlassen. Gleichzeitig verliert die Armee, die mit Wagner Seite an Seite gegen Islamisten kämpft, immer mehr an Boden.
Mit den aufständischen Tuareg aus dem Norden hat sich eine weitere Front aufgetan, immer mehr Armeestützpunkte gehen verloren, Wackel-Videos der Rebellen zeigen angeblich getötete russische Söldner. Malis Militärjunta ist unter Druck, und auch das Ansehen der russischen Kämpfer, von denen die Regierung abhängig ist und die Mali wieder zu einem sicheren Land machen sollten, steht auf dem Spiel.
Im Sudan ist die Lage noch verzwickter: Im Bürgerkrieg zwischen Armeegeneral Abdel Fattah Burhan und seinem Widersacher Mohamed Mamdan Dagalo hatte sich Prigoschin auf die Seite des Letzteren gestellt - sicher auch wegen der guten Geschäfte, die Prigoschin durch ihn mit dem Gold des Landes machen konnte. Der Kreml wiederum unterhält auch Kontakte zu Burhan.
Wo landet die Wagner-Gruppe?
Kämpfer, Rohstoffe, Spionage und Desinformation: Prigoschins Erbe ist ein großer Bauchladen. Die Haben-Seite für Russland: politischer und geostrategischer Einfluss in einem immer wichtiger werden Teil der Welt - und nicht nur das. "Das System bringt Bodenschätze wie Gold nach Russland in einer Zeit, in der das Land Sanktionen unterliegt, gleichzeitig aber Mittel für den Krieg in der Ukraine braucht", sagt Kimberly Marten von der Columbia University.
Deswegen glaubt auch kein Beobachter daran, dass das "System Wagner" zerschlagen wird. Aber lässt es sich in die Armee und den Geheimdienst überführen? Vor und nach Prigoschins Tod war Russlands stellvertretender Verteidigungsminister Junus-Bek Jewkurow in vier Ländern der Region unterwegs, hatte Hilfe versprochen - und klar gemacht, wer in Moskau das Sagen hat.
Keine Schattenarmee mehr
Eine klare Anbindung von Wagner an den Staat hätte aber Folgen: "Wenn die Tarnung ganz verloren ginge, wäre Russland auch verantwortlich für die Verletzungen von Menschenrechten", meint Sicherheitsexpertin Vanda Felbab-Brown. Eine Söldnertruppe, der immer wieder Massaker an Zivilisten nachgesagt werden, könnte leicht den Ruf des Entsendelandes ruinieren.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den früheren Wagner-Funktionär und Mitbegründer der Armee, Andrej Troschew, vor einem Monat empfangen und mit der Bildung von Freiwilligen-Einheiten beauftragt, vor allem für den Kampf in der Ukraine. Troschew war nach der gescheiterten Wagner-Meuterei zur Militärfirma "Redut" gewechselt, die dem Verteidigungsministerium nahe steht. Dennoch: Bei der Nachfolgefrage ist nichts ausgemacht, die Lage bleibt unübersichtlich.
Im Juni war eine Rebellion der Wagner-Truppen gegen die russische Armeeführung gescheitert, anschließend wurde den Söldnern eine Eingliederung in die russische Armee angeboten. Wagner-Chef Prigoschin starb rund zwei Monate später unter bislang ungeklärten Umständen zusammen mit weiteren Führungsmitgliedern der Gruppe beim Absturz eines Flugzeuges in der russischen Region Twer.
Die Söldner wollen eine dynastische Lösung
Wahrscheinlich ist nur, dass das "System Wagner" eine Zukunft hat, auch wenn es eine neue Führung braucht und vielleicht auch einen anderen Namen.
Und wahrscheinlich ist, dass der Wunschkandidat der Wagner-Getreuen keine Chancen hat: Pawel Prigoschin, der Sohn ihres "Helden". Kreml und Ministerium werden den Namen Prigoschin wohl noch eine ganze Weile eher mit einem Problem verbinden, als mit einer Lösung.