Abstimmung über neues Parlament "Wahlen in Belarus sind nichts weiter als eine Farce"
Heute wird in Belarus ein neues Parlament gewählt - wobei die Wahl weder frei noch fair sein dürfte: Oppositionelle sind entweder ins Ausland geflohen oder im Gefängnis.
Der Machthaber von Belarus ist stolz darauf, für den heutigen Wahltag vom großen östlichen Nachbarn gelernt zu haben: "Nach dem Vorbild von Russland haben wir den einheitlichen Abstimmungstag eingeführt", erklärt Alexander Lukaschenko. "An diesem Tag werden die Parlamentsabgeordneten und die Vertreter der regionalen Räte gewählt. Wir haben Gebiets-, Bezirks- und Landesräte, wie es in der Sowjetzeit war."
Und noch etwas ist wie damals: Es gibt keine Oppositionskandidaten, insgesamt sind nur vier Parteien zugelassen, alle auf Lukaschenko-Kurs.
Massenverhaftungen nach vergangener Wahl
Die Menschenrechtsorganisation Wjasna hat es auf den Punkt gebracht: Sie setzt hinter den Begriff Wahl ein Sternchen, denn mit einer echten Abstimmung, frei und fair, hat das heute nichts zu tun. OSZE-Wahlbeobachter wurden nicht zugelassen zu dieser ersten Abstimmung nach der äußerst umstrittenen im August 2020, in der Machthaber Lukaschenko nach offiziellen Angaben auf 80 Prozent der Stimmen kam.
Herausforderin Swetlana Tichanowskaja kam nur auf zehn Prozent - sie war für ihren vor der Wahl verhafteten Mann Sergej Tichanowskaja ins Rennen gegangen und von Lukaschenko komplett unterschätzt worden. Massenproteste nach der ganz offensichtlich manipulierten Wahl schlug das Regime brutal nieder, es folgten Zehntausende Festnahmen.
Repression nimmt zu
Die Menschenrechtslage in Belarus hat sich vor der heutigen Wahl nicht verbessert, im Gegenteil: Es herrsche eine Atmosphäre von Unfreiheit und Angst, sagt Tichanowskaja, heute Oppositionsführerin im Exil: "In Belarus werden Tag für Tag 15 bis 20 Menschen ins Gefängnis gesteckt. Für Kommentare, die Unterstützung der Ukraine, weil sie unabhängige Medien abonniert haben oder sich für Demokratie aussprechen."
Jeden Tag werde das gemacht, um die Belarusen einzuschüchtern, beklagt sie. "Die politischen Gefangenen, die wie mein Mann schon seit Jahren einsitzen, werden unter unmenschlichen Bedingungen in Haft gehalten, langsam umgebracht. Viktor Babariko, Maria Kolesnikowa, unser Nobelpreisträger Ales Beljazkij und auch mein Mann Sergej Tichanowski befinden sich in Isolationshaft. Anwälte werden nicht zu ihnen gelassen. Briefe werden nicht zugestellt. Wir wissen nicht, was mit ihnen passiert. Ich weiß nicht, ob mein Mann noch am Leben ist."
Boykottaufruf der Opposition
1.400 politische Gefangene sitzen derzeit im Gefängnis, schätzt die Bürgerrechtsorganisation Wjasna. Hunderttausende Menschen haben das autokratisch regierte Belarus verlassen - im Ausland lebende Staatsbürger aber dürfen an der heutigen Abstimmung nicht teilnehmen.
Welche Bedeutung hat diese Wahl? "Nun, alle sogenannten Wahlen in Belarus sind jetzt nichts weiter als eine Farce, eine Imitation", sagt Tichanowskaja. "Während sich das Land in einer so tiefen politischen und humanitären Krise befindet und Menschen aufgrund ihrer Ansichten unterdrückt werden, kommen freie und faire Wahlen nicht in Frage. Und egal, welche Wahlergebnisse die belarusischen Behörden melden, wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, sie nicht anzuerkennen, und wir fordern die Belarusen nachdrücklich auf, die Wahlen zu ignorieren."
In den Wochen vor der Wahl gab es eine Welle von Razzien und Festnahmen. Wegen der starken Repressionen gelten Proteste wie im Jahr 2020 nach der heutigen Wahl als ausgeschlossen.