Zehn Jahre nach Anschlag Charlie Hebdo gibt sich unbeugsam
Als am 7. Januar 2015 islamistische Terroristen ein Blutbad in der Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo verübten, stand Frankreich unter Schock. Doch ans Aufgeben dachten die Mitarbeiter der Zeitschrift nie.
An vielen Kiosken in Paris konnte man die Sonderausgabe schon am Montag kaufen. Die Titelseite zeigt einen lachenden Mann, der auf einem Maschinengewehr sitzt und die Sonderausgabe liest. "Charlie Hebdo - increvable", steht auf dem Titel. Zu Deutsch: "Charlie Hebdo - nicht kleinzukriegen".
Acht Redaktionsmitglieder getötet
Zehn Jahre, nachdem zwei islamistische Terroristen in die Redaktion eingedrungen waren und das halbe Team ausgelöscht hatten, gibt sich die Satirezeitschrift selbstbewusst und kämpferisch. Die Angreifer erschossen Redaktionsleiter Charb und andere in Frankreich bekannte Zeichner wie Wolinski, Cabu oder Honoré. Laurent Sourisseau alias Riss überlebte das Attentat schwer verletzt. Er ist heute Redaktionschef von Charlie Hebdo.
Es sei eine ganz normale Redaktionskonferenz gewesen, an diesem 07. Januar 2015, erinnert sich Riss im Gespräch. "Als die zu Ende ging, hörten wir ein merkwürdiges Knallen. Der Polizist, der im Raum war, sagte das sei nicht normal. Er hatte begriffen, dass das Schüsse waren. Wir nicht." Eine Minute und 49 Sekunden dauerte das Blutbad in der Redaktion. Diese eine Minute und 49 Sekunden veränderten Frankreich.
Kollektiver Schock und Solidarität
Der Angriff habe das Land mitten ins Herz getroffen, sagte der damalige Staatspräsident François Hollande am Abend des 07. Januar in einer Fernsehansprache. "Die ganze Republik wurde heute angegriffen. Die Republik, das ist die Meinungsfreiheit. Die Republik, das ist Kultur, kreatives Schaffen, Pluralismus - Demokratie. Das ist es, worauf die Mörder gezielt haben", erklärte Hollande.
Die Großfahndung nach den Attentätern dauerte drei Tage. Ein weiterer Attentäter nahm Geiseln in einem jüdischen Supermarkt. Am Ende wurde alle drei Täter erschossen. Sie hatten insgesamt 17 Menschen ermordet.
In den Tagen nach dem Attentat ging der Slogan "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie) um die Welt. In ganz Frankreich gab es Gedenkmärsche. Allein in Paris gingen 1,5 Millionen Menschen auf die Straßen. Auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und rund 50 führende ausländische Politiker nahmen teil.
Frankreich verschärfte seine Anti-Terrorgesetze
Für die französische Politik wurde die Terror-Abwehr zur höchsten Priorität. Zwei Wochen nach den Anschlägen hatte der damalige Regierungschef Manuel Valls erklärt, Frankreich befinde sich im "Krieg gegen den Terrorismus". Er kündigte eine Reihe von Maßnahmen an. Dazu zählten etwa spezielle Bereiche für Dschihadisten in Gefängnissen, mehr Kompetenzen für die Geheimdienste und mehr zentrale Speicherung von Informationen.
Valls legte besonders Wert auf eine zentrale Datenbank. In der sollten fortan alle Menschen gelistet werden, gegen die offiziell wegen Terrorismus ermittelt wird oder die deswegen verurteilt wurden. "Diese Datenbank wird unter richterlicher Kontrolle stehen", erklärte Valls Ende Januar 2015. "Wer in dieser Datenbank steht, wird in regelmäßigen Abständen seinen Wohnort bestätigen müssen und die Behörden über jeden Wohnortwechsel oder Aufenthalt im Ausland informieren."
Darüber hinaus kündigte Valls an, mehr Geld in die Radikalisierungsprävention zu stecken. Seither sind die Anti-Terrorgesetze in Frankreich mehrfach weiter verschärft worden. Neue Anschläge hat das nicht verhindert.
Der "Esprit Charlie" ist noch präsent
Zehn Jahre nach dem Attentat ist der "Esprit Charlie" (der Geist von Charlie) in Frankreich noch präsent. In der Sonderausgabe zum Jahrestag des Anschlags veröffentlicht Charlie Hebdo entsprechende Ergebnisse einer Ifop-Umfrage von Mitte 2024.
Demnach betrachten gut drei Viertel (76 Prozent) der Befragten die Meinungsfreiheit als Grundrecht. Und sind der Ansicht, dass Karikaturen dazuzählen. Laut der Umfrage befürworten außerdem gut 60 Prozent der Befragten das Recht auf Blasphemie, also auf Spott über Religion. Darunter sind 53 Prozent der befragten Muslime und 59 Prozent der Christen
Diese Umfrage wird aber von Reportagen etwa im Magazin Nouvel Obs nuanciert. Darin wird deutlich, dass junge Menschen religionskritische Karikaturen zunehmend skeptischer sehen, weil sie diese als verletzend und stigmatisierend empfinden.
Riss: "Meinungsfreiheit mit Leben füllen"
Riss, der Redaktionschef von Charlie Hebdo, will und wird weitermachen. Schon nach dem Anschlag habe ihm die Arbeit Halt gegeben, sagt er. Und er hält sie immer noch für fundamental: "Man muss die Meinungsfreiheit ständig erneuern, mit Leben füllen", sagt er. "Wenn man glaubt, sie sei selbstverständlich und damit aufhört, dann ist sie in Gefahr. Und dann wacht man irgendwann auf und stellt fest, dass man sich nicht mehr traut, dieses oder jenes zu sagen."
In der Sonderausgabe zum Jahrestag hat Charlie Hebdo neue Karikaturen veröffentlicht. Diese stammen aus einem internationalen Wettbewerb, den die Redaktion organisiert hatte. Das Motto lautete "RireDeDieu". Zu Deutsch "Über Gott lachen".