EU-Russland-Gipfel in Chanti-Mansijsk "Ein neues Kapitel der Beziehungen"
Russland und die EU haben auf ihrem Gipfel in Chanti-Mansijsk den Startschuss für den Beginn von Verhandlungen über ein neues Grundlagenabkommen gegeben. Es soll vor allem Verlässlichkeit bei Energielieferungen nach Europa und die Rechtsicherheit bei Geschäften gewährleisten.
Nach fast zwei Jahren politischen Stillstands haben die EU und Russland Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen eingeläutet. Die erste Verhandlungsrunde werde nächste Woche in Brüssel stattfinden, erklärte der russische Präsident Dmitri Medwedjew auf einem Gipfeltreffen mit EU-Spitzenpolitikern in der sibirischen Stadt Chanti-Mansijsk. Bis zum Abschluss der Gespräche bleibt das alte EU-Partnerschaftsabkommen mit Russland in Kraft.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, damit werde "ein neues Kapitel in unseren Beziehungen" zu Russland aufgeschlagen. Barroso drängte Russland auf die Stärkung der Rechtssicherheit. "Wir begrüßen die Ankündigungen von Präsident Dmitri Medwedjew in diesem Bereich sehr", sagte er. Der neue russische Präsident hat wiederholt angekündigt, gezielt gegen Korruption und den von ihm so bezeichneten "Rechtsnihilismus" in Russland vorzugehen.
Kooperation auf weiteren Gebieten angestrebt
Beide Seiten bekräftigten nach den jüngsten Streitigkeiten die grundsätzliche Bereitschaft zur Stärkung ihrer strategischen Beziehungen weit über den Energiesektor hinaus. So wollen sie in Schlüsselbereichen vom Handel über den Tourismus bis hin zum Klimaschutz ihre Beziehungen intensivieren. Auch soll Russland zur Achtung der Menschenrechte gedrängt werden. Moskau legt besonderen Wert auf Verhandlungen über einen visafreien Reiseverkehr mit der Europäischen Union.
EU will Sicherheit bei Öl- und Gaslieferungen
Brüssel will Moskau mit dem neuen Abkommen vor allem zu mehr Verlässlichkeit bei Energielieferungen nach Europa verpflichten. Für die EU sei "die Sicherheit der Energieversorgung von herausragender Bedeutung", erklärte Kommissionschef Barroso. Die EU bezieht rund ein Viertel ihres Erdöls und Erdgases von Moskau, in Deutschland sind es sogar gut ein Drittel. Die Energieimporte aus Russland hatten im vergangenen Jahr nach Angaben der EU-Kommission einen Wert von knapp 95 Milliarden Euro.
Moskau hatte in der Vergangenheit wiederholt Energielieferungen an die Ukraine und Weißrussland unterbrochen. Da die Pipelines zur Versorgung Westeuropas durch diese beiden Staaten verlaufen, war indirekt auch die EU betroffen. In dem geplanten Partnerschaftsabkommen will die Union nun festschreiben, dass Russland den Öl- oder Gas-Hahn künftig nicht mehr ohne Vorwarnung zudrehen darf.
Streit mit Polen und Litauen verzögerte Gespräche
Die Verhandlungen über das neue Abkommen sollten ursprünglich schon im Herbst 2006 beginnen. Wegen eines Handelsstreits zwischen Russland und Polen legte die Regierung in Warschau jedoch ein Veto gegen die Gespräche ein, später wurden sie von Litauen blockiert. Erst Ende Mai wurde das Mandat für die Verhandlungen von allen EU-Staaten einstimmig angenommen.
Für nachhaltige Verärgerung in Moskau sorgten auch die Verhandlungen osteuropäischer EU-Länder über die Stationierung von US-Abwehrraketen nahe der russischen Grenze. Die USA wollen Teile ihres geplanten Raketenschilds in Polen und Tschechien stationieren. Der russische Präsident Medwedjsew bekräftigte seine Kritik: "Wir stehen dieser Initiative sehr skeptisch gegenüber. Wir glauben, sie ist schädlich und dient nicht dem Ziel, die Sicherheit auf dem europäischen Kontinent und weltweit zu wahren."