Ärzte ohne Grenzen über Flüchtlingscamp in Idomeni Lebensbedrohliche Zustände für Kinder
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen schlägt angesichts der Lage im Flüchtlingscamp in Idomeni Alarm. Viele Menschen seien erkrankt, vor allem Kinder seien gefährdet. Die griechische Regierung möchte das Camp innerhalb der nächsten zwei Wochen auflösen.
Der Regen hat aufgehört in Idomeni. Die Sonne scheint und die Menschen können ihre völlig durchnässte Kleidung trocknen. Ein kleiner Lichtblick - mehr aber auch nicht. Die Lage im überfüllten Flüchtlingscamp bleibt angespannt.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnt vor lebensgefährlichen Zuständen für die Flüchtlingskinder im überfüllten Lager. "Unsere Mitarbeiter berichten von zahlreichen Atemwegserkrankungen und einem akuten Ausbruch der Magen-Darm-Grippe", sagte Ärzte ohne Grenzen-Geschäftsführer Florian Westphal.
"Griechenland wird im Stich gelassen"
150 Ärzte seien für die Organisation derzeit in dem Gebiet unterwegs, wo rund 14.000 Flüchtlinge an der Grenze zu Mazedonien zumeist in einfachen Zelten ausharren. "Unter den Flüchtlingen sind Schwangere und Frauen mit wenige Tage alten Babys", sagte Westphal. "Es ist nicht auszuschließen, dass diese Säuglinge angesichts der Zustände im Lager in Lebensgefahr schweben."
Vereinzelt hätten Flüchtlinge wegen schwerer Traumatisierungen durch Krieg und Flucht Panikattacken oder versuchten, sich selbst zu verletzen. Westphal erhob schwere Vorwürfe gegen die EU-Mitgliedstaaten: "Griechenland ist heillos überfordert und wird im Stich gelassen." Die anderen EU-Länder inklusive Deutschland hätten bisher viel zu wenig getan, um die griechischen Behörden konkret und vor Ort bei der Flüchtlingshilfe zu unterstützen.
Rund 800 Flüchtlinge haben das Aufnahmelager in Idomeni wegen der schlechten Bedingungen verlassen. Etwa 600 Menschen, unter ihnen viele Familien, hatten bereits am Donnerstag ihre Sachen gepackt. In der Nacht zum Freitag sollen weitere 200 abgereist sein, berichteten übereinstimmend Reporter vor Ort.
Lager soll innerhalb von zwei Wochen aufgelöst werden
Die griechische Regierung möchte das Lager in Idomeni innerhalb der nächsten zwei Wochen auflösen. Gewalt wolle sie aber nicht anwenden, wie Nikos Toskas, Vizeminister für öffentliche Ordnung, bekräftigte. Vielmehr wolle man die bis zu 14.000 Menschen bei Idomeni überreden, in Übergangsunterkünfte umzuziehen. "Wir wollen sie überzeugen, und das können wir nicht tun, indem wir Tränengas einsetzen", sagte Toskas.
Die Flüchtlinge und Migranten sitzen an der griechisch-mazedonischen Grenze fest, weil die Balkanroute in Richtung Westeuropa geschlossen ist und nur noch Personen mit gültigen Reisedokumenten und Visa passieren dürfen.
Deutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland
Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland hat sich durch die Sperrung der Balkanroute drastisch reduziert. Am 27. Februar wurden an der deutsch-österreichischen Grenze noch mehr als 500 Einreisen gezählt, am Mittwoch waren es 89, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte.
Solange die Beratungen auf EU-Ebene aber noch nicht abgeschlossen seien, sei es schwer abzusehen, wie sich die Lage auf der Balkanroute weiter entwickeln werde, betonte der Sprecher des Innenressorts. Außerdem sei die Balkanroute nicht der einzige Fluchtweg nach Europa. Daher sei ein Wiederanstieg der Zahlen nicht auszuschließen. Ein Abbau von Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen sei aktuell nicht vorgesehen.