Trotz Protesten und internationaler Kritik Georgien setzt "Agentengesetz" in Kraft
Trotz massiver Proteste ist in Georgien das umstrittene Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme" in Kraft getreten. Da Staatspräsidentin Surabischwili sich weigerte, wurde es von Parlamentspräsident Papuaschwili unterzeichnet.
Wochenlange Proteste und internationale Kritik haben die georgische Führung nicht umstimmen können: Das Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme" ist in Tiflis in Kraft gesetzt worden. Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili unterzeichnete es eigenen Angaben zufolge, nachdem Staatspräsidentin Salome Surabischwili eine Unterschrift verweigert hatte.
Opposition und westliche Regierungen kritisieren das Gesetz als Mittel zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft und als unvereinbar mit zentralen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit. Es schreibt vor, dass Organisationen, die mehr als ein Fünftel ihrer Finanzmittel aus dem Ausland erhalten, sich als "Agenten ausländischer Einflussnahme" registrieren lassen müssen. Damit müssen sie sich auch einer Kontrolle der Behörden unterwerfen.
Kritiker sehen in dem Gesetz eindeutige Parallelen zum 2012 in Russland verabschiedeten Gesetz gegen "ausländische Agenten", das es den dortigen Behörden ermöglicht, massiv gegen regierungskritische Medien und Organisationen vorzugehen. Sie werfen der Regierungspartei einen zunehmend autoritären Kurs vor der Parlamentswahl im Oktober vor und sehen einen künftigen Beitritt des Landes zur EU gefährdet. Auch Surabischwili hatte ein Veto gegen das Gesetz eingelegt, das aber von Abgeordneten der Regierungspartei überstimmt wurde.
Noch am Sonntag Kundgebung in Tiflis
Die Regierung in Tiflis verteidigt das Vorhaben als Stärkung von Transparenz und nationaler Souveränität. Ministerpräsident Irakli Kobachidse sagte im Kabinett, über das Gesetz sei in den vergangenen Monaten viel Falsches verbreitet worden. Nun sei es in Kraft und müsse pragmatisch und mit kühlem Kopf angewendet werden.
Noch am Sonntag hatte es in Tiflis eine Protestkundgebung gegeben. Bei einem abendlichen Konzert wurde Geld gesammelt, um festgenommene Demonstranten zu unterstützen. Immer wieder hatte es in den vergangenen zwei Monaten Massenproteste gegeben, die aber erfolglos blieben. Auch Interventionen wichtiger Geldgeber wie die EU und USA erreichten nichts.
Zwei Monate nach Inkrafttreten soll die Online-Registrierung der Nichtregierungsorganisationen beginnen. Bei Verstößen gegen die Rechenschaftspflicht drohen zunächst Geldbußen. Organisationen, die sich nicht registrieren lassen, werde ihr Vermögen entzogen, sagte der Bürgermeister von Tiflis, Kacha Kaladse. Dann würden sie geschlossen.
EU und NATO rufen zu Kurswechsel auf
Viele Organisationen haben angekündigt, sich nicht dem Gesetz zu unterwerfen und sich nicht registrieren zu lassen. Sie kündigten Klagen vor dem georgischen Verfassungsgericht und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.
Auch die EU, die UN und die NATO haben die Regierung in Tiflis zum Kurswechsel aufgerufen. Georgien ist seit Dezember offiziell EU-Beitrittskandidat. Der EU-Beitritt Georgiens ist in der Verfassung des Landes verankert und wird laut Meinungsumfragen von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Der aktuellen Regierung wird jedoch vorgeworfen, die ehemalige Sowjetrepublik wieder an Moskau annähern zu wollen.