Europawahl in Griechenland Wichtigstes Thema: das eigene Schicksal
Der Europawahlkampf in Griechenland wird bestimmt von innenpolitischen Themen. Die Parteien richten ihren Blick vor allem auf die Frage: Wie geht es für die Griechen in Europa weiter?
Fast 60 Prozent Wahlbeteiligung gab es in Griechenland bei der letzten Europawahl. Das ist ein deutlich höherer Wert als in Deutschland, wo vor fünf Jahren nicht mal jeder Zweite seine Stimme abgegeben hat. Griechenland hatte die viertbeste Wahlbeteiligung aller EU-Länder.
"Gut so", sagt Nikos Kalansi. Er wird bald an der deutschen Schule in Athen sein Abitur machen. Europa sei wichtig für sein Land: "Ich glaube an die Politik und ich glaube an die Europäische Union. Weil ich glaube, dass Europa die Zukunft Griechenlands ist."
Warten auf Wachstum
Doch wird die Zukunft für Griechenland jetzt wirklich mehr Wachstum und damit mehr Arbeitsplätze bringen, wie es die amtierende Regierung verspricht? Innenpolitik hat die anderen europäischen Themen aus dem Wahlkampf vertrieben. Auch für die Oppositionspartei Nea Demokratia, die die linke Syriza-Partei an der Regierung ablösen will, und für die der 26. Mai ein wichtiger Stimmungstest für die Parlamentswahl im Spätsommer ist.
Nicht alle in seiner Generation, sagt der junge Athener Kalansi, dächten so positiv wie er: "Ich weiß auch, dass viele junge Menschen denken, dass die Europäische Union unsere Wirtschaft zerstört hat. Dass die Souveränität unseres Staates eingeschränkt ist. Das sind Fragen, die nicht nur die Politiker beantworten müssen."
In Griechenland gibt es noch immer viel Sanierungsbedarf, so auch an der Athener Akropolis.
Viele Junge haben das Land verlassen
300.000 junge Griechen sollen das Land während der letzten zehn Jahre für immer verlassen haben. Ohne diese meist gut ausgebildeten und arbeitswütigen Griechen wird es das Land schwer haben, schneller aus der Krise zu kommen. Das meint Ioannis Sakkas, ein Rentner im Athener Stadtteil Kolonaki. Er fragt sich, warum es Europa nicht gelänge, mehr Arbeitsplätze für junge Menschen in Griechenland zu schaffen.
"Wissen Sie, unsere Wirtschaft hat 30 Prozent an Kraft verloren seit der Krise. Da kann das neue Wachstum wenig ausrichten. Wer soll davon etwas haben?" Im Tourismus sei das zu spüren, da gehe es wirklich aufwärts, so Sakkas. "Aber wir bräuchten vier bis fünf Prozent Wachstum, damit es uns normalen Leuten besser gehen kann. Wir sind von einer Besserung sehr, sehr weit entfernt."
Für viele hat sich nichts geändert - noch nicht
Was ist aus den Versprechungen der EU-Gipfeltreffen geworden, fragt Myrto Lialiouti, Redakteurin der Tageszeitung Ta Nea. Immer wieder habe es auch die deutsche Bundeskanzlerin versprochen, man werde etwas tun für mehr Jobs unter jungen Europäern. Aber stattdessen habe es nur ein knallhartes Sparprogramm gegeben, sagt die Redakteurin: "Nach der Krise, als wir den Rettungsschirm verlassen konnten, ist leider vieles gleich für uns geblieben. Es hat sich nichts groß geändert. Wir müssen uns in wichtigen Politikfeldern mit den Gläubigern, unseren Geldgebern verständigen."
Griechenland hänge am Tropf der reichen Länder, die das Sagen haben. Das Land dürfe nur noch das tun, was andere in Europa erlaubten. Dieses Gefühl hat sich bei einem Teil der griechischen Bevölkerung verfestigt in den letzten Jahren. Der junge Unternehmer Stavros Tsompanidis aus Patras sieht es anders: Jeder müsse einfach seine guten Ideen in die Tat umsetzen - dann werde es klappen, meint der Designer.
Sein kleines Unternehmen ist eine Erfolgsgeschichte mitten in Europa, entwirft Brillengestelle und Handy-Hüllen: "Wir haben alles in unserem Kopf. Wir müssen aber auch handeln. Wenn wir in den nächsten fünf Jahren nicht handeln, dann werden wir immer die gleichen Klagen führen müssen - dass es Griechenland schlecht geht, wir keine Jobs haben und keine wirtschaftliche Entwicklung."
Die Griechen hoffen auf eine bessere Zukunft.
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Neue Hoffnung also doch wieder für viele Menschen in Griechenland? Im Europa-Wahlkampf wird darüber immer mal wieder diskutiert - und selbst in den USA sind die besseren Nachrichten aus dem Süden von Europa angekommen. Nikos Efstathiou ist vor acht Jahren von Athen in die USA ausgewandert - und seit letztem Jahr wieder in der Heimat. Er schreibt jetzt Analysen und Kommentare für die elektronische Ausgabe der konservativen Tageszeitung "Kathimerini", und er hat eine große Portion Hoffnung für seine Heimat:
Griechenland hat seine Lektion gelernt. Ich glaube, beide großen Parteien haben sich enorm weiterentwickelt, das Alte überwunden. Das können auch die Menschen in Deutschland jetzt anders wahrnehmen. Das gilt für die Konservativen wie auch für die früher mal extrem linken Syriza-Leute. Die machen inzwischen eine sehr gemäßigte Politik. Seit Ausbruch der Krise ist den meisten von uns Griechen unsere Rolle in Europa sehr bewusst geworden. Ich denke, unser Herz und unser Verstand sind Mitglied der Europäischen Union. Und die Reformen sind einfach notwendig gewesen, damit wir in der europäischen Familie bleiben können.