Vor dem Start des EU-Türkei-Paktes Noch hoffen die Flüchtlinge von Chios
Kurz vor Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens versuchen offenbar Hunderte Flüchtlinge, einer Abschiebung zu entgehen. Rund 500 harrten in der Nacht am Hafen von Chios aus, in der Hoffnung die griechische Insel verlassen zu können. Unterdessen laufen die Vorbereitungen für die Umsetzung des Paktes.
Ab Montag tritt der EU-Türkei-Pakt in Kraft, dann sollen die ersten Flüchtlinge aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht werden. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Rückführungen wohl nicht ohne Konflikte stattfinden werden.
Bereits am Freitag waren Hunderte Flüchtlinge aus dem griechischen "Hotspot" von Chios ausgebrochen und Richtung Hafen marschiert. 500 Menschen, unter ihnen viele Kinder, verbrachten dort die Nacht im Freien. Sie harren weiterhin im Hafen aus und hoffen mit einer Fähre die Insel verlassen zu können, um einer Abschiebung zu entgehen. Doch Fähren laufen den Hafen nicht mehr an. Sie würden zum Inselort Mesta umgeleitet, damit die Menschen nicht auf die Schiffe stürmen, meldete der Radiosender "Athina 984". Zuvor hatte es in dem Lager auf Chios Ausschreitungen gegeben.
Im Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze demonstrierten rund 200 Flüchtlinge - sie forderten, dass Lager in Richtung Mazedonien verlassen zu dürfen. Die Flüchtlinge hinderten auch Lastwagen daran, die Grenze nach Mazedonien zu überqueren und blockierten Bahngleise.
Start von Lesbos aus
Die ersten Rückführungen von Syrern, Irakern und Afghanen aus Griechenland in die Türkei sind laut einem Medienbericht von der Insel Lesbos aus geplant. Nach Informationen der staatlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA charterte die europäische Grenzschutzbehörde Frontex dafür zwei Schiffe, die von Montag bis Mittwoch insgesamt 750 abgelehnte Asylbewerber über das Mittelmeer transportieren sollen. Sicherheitskräfte begleiten demnach die Rückführung: Auf jeden Ausgewiesenen komme ein Polizist.
Unterdessen hat die Türkei mit dem Bau von zwei Registrierungszentren für die aus Griechenland zurückgenommenen Menschen begonnen. In Cesme gegenüber der Insel Chios legten Arbeiter Wasserleitungen und Kabel in einer 500 Quadratmeter großen Anlage, wie Bürgermeister Muhittin Dalgic einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sagte. Vorgesehen sind dort Zelte, in denen Fingerabdrücke genommen werden sollen, sowie sanitäre Anlagen.
Unmut wächst auch in der Türkei
Das zweite Registrierungszentrum für die Flüchtlinge entsteht in Dikili in derselben Provinz gegenüber der griechischen Insel Lesbos. Türkischen Vertretern zufolge handelt es sich aber nicht um Flüchtlingslager im eigentlichen Sinn. "Sobald die Gesundheitstests und die Registrierung abgeschlossen sind, werden sie in Lager gebracht", sagte Dalgic. Das griechische Parlament hatte gestern dem EU-Türkei-Pakt zugestimmt und so den Weg für die Rückführung von Flüchtlingen geebnet.
Doch auch in der Türkei wächst der Widerstand gegen die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland. Hunderte Demonstranten protestierten in Dikili gegen die geplante Aufnahme der Migranten. Bislang ist ungeklärt, wo genau diese unterkommen sollen. Ein Augenzeuge sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Standort für eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Dikili sei derzeit noch ein mit Gras bewachsenes Feld.
Flüchtlinge kommen weiter nach Griechenland
Ungeachtet der Vorbereitungen für Montag hält der Zustrom von Menschen aus Türkei nach Griechenland an. 566 Asylsuchende hätten in den vergangenen 24 Stunden auf die griechische Ägäis-Inseln übergesetzt, wie der griechische Stab für die Flüchtlingskrise mitteilte. Demnach waren außerdem am Freitag 339 und am Donnerstag 377 Menschen angekommen. Nach Schätzungen des Krisenstabes sind bis Samstag mehr als 52.000 Flüchtlinge und andere Migranten in Griechenland gestrandet, nachdem die Balkanländer ihre Grenzen für Menschen ohne gültige Pässe und Visa geschlossen haben.