Östliches Mittelmeer Ankara provoziert - Athen schäumt
Griechenland und die Türkei reden vorerst doch nicht über umstrittene Seegebiete und Gasvorkommen. Stattdessen wird der Ruf nach Sanktionen gegen Ankara wieder lauter. Berlin versucht, zu vermitteln und vor allem Zeit zu gewinnen.
Immer wieder ist Heiko Maas nach Ankara, Athen und Nikosia gereist. Der Bundesaußenminister will im Streit um Gebiete, Rohstoffe und Schürfrechte im östlichen Mittelmeer vermitteln. Zuletzt standen die Zeichen tatsächlich auf Entspannung.
Doch unmittelbar vor einem Durchbruch düpierte die Türkei die Vermittlungsbemühungen von Maas und sorgte Anfang dieser Woche für eine neuerliche Eskalation im Erdgas-Streit.
Denn wieder hat das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis" den Anker gelichtet und ist begleitet von Kriegsschiffen in Gewässern in der Ägäis unterwegs, die Athen und Ankara gleichermaßen beanspruchen.
Das Forschungsschiff<em> "Oruc Reis</em>" lag in Antalya vor Anker. Seit Dienstag dieser Woche ist es wieder in umstrittenen Gewässern unterwegs.
"Kein Dialog mit der Türkei"
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis fühlt sich von der türkischen Regierung hintergangen. Denn am Donnerstag vergangener Woche hatten sich die Außenminister beider Länder, Dendias und Cavusoglu, darauf verständigt, Sondierungsgespräche zur Streitschlichtung zu beginnen.
"Doch anstatt einen Termin für diese Gespräche vorzuschlagen, schickt die Türkei wieder ein Forschungsschiff los", schimpfte Mitsotakis während des Besuchs von Maas in Athen am Dienstag dieser Woche und stellte klar: "Unter diesen Umständen können wir natürlich nicht in einen Dialog treten."
Außenminister Maas pflichtete seinem Gastgeber bei. Später am Abend wurde Maas in der griechischen Hauptstadt deutlicher. Er sei "außerordentlich entsetzt" über die Provokation der Türkei.
Verhandlungsbereit mit Bedingungen
Griechenland hat immer wieder betont, gemeinsam mit der Türkei die beiderseitigen Seegrenzen im östlichen Mittelmeer festlegen zu wollen. Athen will klären, welches Seegebiet zur Türkei und welches zu Griechenland gehört. Dann gäbe es keinen Streit mehr darüber, wem die Bodenschätze unter welchem Gebiet des Mittelmeers gehören.
Griechenland ist allerdings nicht zu einem Dialog bereit, wenn die Türkei gleichzeitig Forschungsschiffe in Begleitung von Kriegsschiffen in Gebiete schickt, die Athen beansprucht. Das sei reine Provokation, empört sich Regierungschef Mitsotakis.
Es verstoße auch gegen internationales Recht und sei somit illegal, stellt Constantinos Filis vom Athener Institut für Internationale Beziehungen fest. Deshalb fordert Griechenland, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen. Athen verlangt harte wirtschaftliche Sanktionen, um die türkische Regierung zum Einlenken zu zwingen.
Auch Nikosia will Sanktionen
Das EU-Land Zypern fordert solche Sanktionen schon seit Monaten, denn auch die Republik Zypern fühlt sich von der Türkei provoziert. Vor der Küste Zyperns erkundet die Türkei ebenfalls mögliche Erdgasvorkommen. Das türkische Schiff "Yavuz" bohrte monatelang im Meeresboden nach Gas. Das geschah in einem Gebiet, das die Republik Zypern zu ihrer "Ausschließlichen Wirtschaftszone" erklärt hat.
Es handle sich hierbei um eine Verletzung der Grenze Zyperns und somit auch um eine Verletzung der EU-Außengrenze, urteilt der zyprische Regierungssprecher Kyriakos Kushos. Und er stellt bitter fest: "Bis jetzt haben wir nicht gesehen, dass die Europäische Union wirklich ihre Grenze verteidigt."
Zypern fühlt sich von den anderen EU-Ländern im Stich gelassen und fordert vehement Sanktionen gegen die Türkei. Um Druck zu machen, hatte Zypern im EU-Rat wochenlang Sanktionen gegen Belarus blockiert und seine Zustimmung davon abhängig gemacht, Sanktionen auch gegen die Türkei zu verhängen.
Berlin tritt auf die Sanktionsbremse
Außenminister Maas konnte seinen zyprischen Amtskollegen Nikos Christodoulides erst beim EU-Gipfel Anfang dieses Monats umstimmen. Die Kompromiss-Formel lautete: Die EU verhängt zunächst keine Sanktionen gegen die Türkei, aber sie droht damit, falls die Türkei erneut provoziert.
Nun hat die Türkei erneut provoziert, aber die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will Sanktionen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermeiden. Zuviel stünde auf dem Spiel, wenn die EU jetzt auf Konfrontationskurs mit der Türkei ginge. Sanktionen würden auch jene EU-Länder treffen, die mit der Türkei Handel treiben - vor allem Deutschland.
Berlin fürchtet zudem, die Türkei würde als Partner ausfallen, um Lösungen in der Flüchtlingspolitik zu finden. Vielmehr könnte die Türkei erneut Hunderttausende Flüchtlinge an die Grenze zur EU schicken und somit neue Krisen heraufbeschwören.
Sorge vor wachsender Entfremdung
Außerdem könnte der Entfremdungsprozess zwischen der Türkei und der EU verstärkt werden. Die Türkei könnte sich noch weiter vom Westen abwenden und damit ihre Brückenfunktion endgültig verlieren.
Und schließlich: Der Streit um Erdgas-Vorkommen im östlichen Mittelmeer könnte außer Kontrolle geraten und in einem militärischen Schlagabtausch zwischen Griechenland und der Türkei enden.
Um all das zu verhindern, appelliert Maas an Griechenland und Zypern, trotz der türkischen Provokationen bis zum EU-Gipfel im Dezember keine Sanktionen zu fordern.
Der Außenminister will acht Wochen Zeit gewinnen, um die Türkei auf einen Dialog-Pfad ohne Provokationen zurückzuholen. Doch die Regierungen in Athen und in Nikosia sind äußerst skeptisch. Sie können sich nur schwer vorstellen, wie Maas das schaffen will.