Syriza-Wahlsieg in Griechenland Keine Panik in Brüssel
Nach dem Syriza-Sieg in Griechenland sind die Reaktionen in Brüssel verhalten. Vor allem die Konservativen in der EU sehen den Erfolg kritisch. Panik kommt aber nicht auf. Denn allzu heftige Muskelspiele kann sich Syriza-Chef Tsipras im Schuldenstreit nicht leisten.
Ein grauer regnerischer Vormittag in Brüssel, der zur Stimmung passt - zumindest bei den Konservativen im Europäischen Parlament. Es gibt mahnende Worte in Richtung Athen. Griechenland müsse auch in Zukunft alle Sparauflagen einhalten. So wie das EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker immer wieder gefordert hatte: "Jede griechische Regierung muss ihre Verpflichtungen respektieren."
In Brüssel gibt es nur bei der Linken viel Beifall für den Wahlgewinner Alexis Tsipras. Ansonsten zeigt Europa dem griechischen Wahlgewinner die kalte Schulter. Ein knappes Glückwunschtelegramm gab es aus Paris von Präsident François Holland: Man setze weiterhin auf eine "fruchtbare Zusammenarbeit" für die Eurozone, heißt es in dem kurzen Schreiben.
Aus London kam nur eine deftige Warnung von David Cameron vor einer neuen EU-Krise - der britische Premier steht selbst vor einer wichtigen Wahl, bei der sich die Zukunft Großbritanniens in der EU mitentscheiden dürfte.
Testfall für den Zusammenhalt
Brüssel stehen turbulente Wochen bevor und der EU ein ganz besonderer Testfall für den Zusammenhalt. Wichtigste Frage heute: Wird Alexis Tsipras in Brüssel demnächst genauso auftreten wie in seinem Wahlveranstaltungen daheim? Mit deftigen Forderungen nach einem radikalen Schuldenschnitt? Wird er seine Drohung wahrmachen und die Schulden und alle damit verbundenen Verpflichtungen einfach ignorieren? Und was kann die EU der künftigen griechischen Regierung überhaupt anbieten, um sie im EU-Boot zu halten?
Tsipras werde in Brüssel wohl auf allzu mächtige Muskelspiele verzichten, hofft man in der EU-Kommission. Nicht zuletzt, weil Griechenland frisches Geld braucht. In sechs Wochen enden die Hilfsprogramme der Europäischen Zentralbank für Athen. Ohne eine Verlängerung dieser Finanzhilfen wird Griechenland zahlungsunfähig. Mit unabsehbaren Folgen für den Euro, nicht nur in Griechenland.
Das Programm wird aber wohl nur verlängert, wenn Griechenland auch in Zukunft seine Zinsen zahlt, spart und an strukturellen Reformen festhält. Die Frage ist: Können die Reformen sozialverträglicher gestaltet werden? Zum Beispiel, indem Reiche gezwungen werden, ihre längst überfälligen Steuern zu zahlen?
In den nächsten Wochen geht es für Griechenland also ums finanzielle Überleben. Die Zukunft der EU-Gemeinschaftswährung steht in Griechenland auf dem Spiel - auch wenn die Angst, eine griechische Euro-Krise könnte die gesamte Eurozone in den Abgrund stürzen, heute nicht mehr zu spüren ist. Der Euro, so heißt es in Brüssel, bleibe in jedem Fall bestehen, die "Infektionsgefahr" sei inzwischen gebannt. "Wir wollen den Euro behalten", erklärt ein griechischer Finanzexperte in Brüssel, "aber wir wollen Erleichterungen bei der Rückzahlung". Das klingt schon anders als die Wahlkampf-Rhetorik, die bis jetzt in Athen zu hören war.
Kassensturz soll Klarheit bringen
Viele Möglichkeiten, Athen entgegenzukommen, gibt es nicht. So jedenfalls sehen es viele der EU-Finanzminister, die heute in Brüssel zusammenkommen. In der Diskussion: Griechenland könnten noch etwas günstigere Zinsen und längere Laufzeiten angeboten werden - im Höchstfall. Erst mal, so heißt es heute in Brüssel, müsse ein Kassensturz her - dann könne man weitersehen.
Wie groß die Spielräume für Griechenland wirklich sind, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die EU-Finanzminister wollen unter allen Umständen vermeiden, am Ende als Buhmann dazustehen - wenn sie den Bürgern daheim notgedrungen sagen müssten, dass das Geld für Griechenland weg ist - entgegen aller Versprechungen. Denn die Hauptschuldner sind nicht mehr die Banken, sondern die europäischen Steuerzahler - über die Rettungsschirme und die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank.
Griechenland kann sich radikale Schritte kaum leisten. Aber die EU kann es sich auch kaum leisten, Griechenland fallen zu lassen. Die Glaubwürdigkeit wäre hin. Kein Wunder, dass die Schwarzseher in Brüssel entgegen aller Erwartungen nicht auf dem Vormarsch sind. Von deutscher Seite ist zu hören, dass man mit Griechenland schon weiterkommen werde.
Kaum Alternativen
Das bedeutet: Alexis Tsipras könnte in Brüssel mit kleinen Erfolgen rechnen, die er zu Hause als Durchbruch feiern könnte - wenn er sich weiter an die bisherigen Vereinbarungen hält. Alternativen gibt es wohl kaum. Nicht für ihn, nicht für Brüssel. Wenn Griechenland aufhören würde, Zinsen zu zahlen, dann drohen harte EU-Sanktionen und die Staatspleite. Die Europäische Zentralbank würde für griechische Anleihen keinen Cent mehr geben. Das würde am Ende aber weder den Gläubigern noch den Menschen in Griechenland helfen. Genau aus diesem Grund regiert Brüssel relativ gelassen auf den Wahlausgang in Athen.