Protest in Athen gegen Sparpolitik "Griechenland ist nicht verkäuflich"
Die Politiker haben in den Augen vieler Griechen ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Während viele Menschen den Gürtel immer enger schnallen müssen, bleiben die Reichen mit der Hilfe korrupter Politiker ungeschoren, so der Vorwurf "empörter Bürger", die in Athen auf die Straße gehen.
Von Thomas Bormann, ARD-Studio Istanbul, zzt. Athen
Radio Endassi, der Piratensender, meldet sich heute live vom Sintagma-Platz mitten in Athen: "Wir wollen echte Demokratie, jetzt!" – fordern sie, und rufen übers Radio auf zur nächsten Demonstration gegen den Sparkurs in der Innenstadt. Die Moderatorin des Piratensenders, Sofia, hat ihr Mischpult und ihr Mikrofon auf einem Klapptisch unterm Sonnenschirm aufgebaut. Um sie herum stehen gut drei Dutzend Zelte auf der Rasenfläche des Sintagma-Platzes. Hier campieren diejenigen, die sich "empörte Bürger" nennen.
"Nicht wir haben diese Schulden angehäuft"
Sofia vom Piratensender fürchtet, mit dieser Sparpolitik wird die Zukunft verbaut: "Das hört doch nie auf, das geht immer so weiter. Unsere Leben sind zerstört. Immer mehr Leute werden arbeitslos; Steuern gehen hoch, alles wird teurer. Nicht wir haben diese Schulden angehäuft, sondern die da", sagt sie, und zeigt auf das Parlamentsgebäude am Rande des Sintagma-Platzes.
Die 300 Abgeordneten sind heute zusammengekommen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat die Vertrauensfrage gestellt, aber die Abstimmung darüber, die soll - ganz dramatisch, erst in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch stattfinden, und zwar um Mitternacht. So lange werden sie die alt bekannten Argumente austauschen. Papandreou begann seine Rede wieder mit einem Appell: "Das Land befindet sich in einem kritischen Zustand und am Scheideweg."
Diese Appelle haben die "empörten Bürger" auf dem Sintagma-Platz schon oft genug gehört und reagieren mit Spott. Ein Mann läuft mit einem großen Plakat über den Platz und ruft immer wieder: "Die Krise bezahlen die hart arbeitenden Sklaven." Er meint die einfachen Leute. Die Reichen hätten sich längst alles unter den Nagel gerissen, die Politik habe das mit ihrer Korruption und Vetternwirtschaft ermöglicht, und die kleinen Leute sollen die Zeche zahlen, sagen die "empörten Bürger".
"Raus mit dem Internationalen Währungsfonds"
An einem Springbrunnen auf dem Sintagma-Platz hängt ein Spruchband: "Griechenland ist nicht verkäuflich - raus mit dem Internationalen Währungsfonds." Kredite von außen seien keine Lösung, sagt auch Eilana. "Es ist einfach zuviel. Das Problem wird nicht bewältigt." Eliana, sie hat Medizin studiert, einen guten Abschluss gemacht, und findet jetzt einfach keinen Job.
"Wir müssen weniger importieren"
Die Sparpolitik von Ministerpräsident Papandreou lehnen die Leute auf dem Sintagma-Platz ab, aber der Opposition, die verspricht Steuern zu senken, trauen sie auch nicht über den Weg. Jedoch, wie soll man denn die Schuldenkrise lösen? Sofia von Radio Endassi weiß, dass das keine leichte Aufgabe ist: "Wir müssen unsere Wirtschaft neu aufbauen. Wir müssen mehr selbst produzieren und weniger importieren. "
Der Protestbewegung auf dem Sintagma-Platz ist klar: Die Schuldenkrise muss bewältigt werden. Aber der Weg dahin ist umstritten. Den Weg, den die Regierung wählt, halten nicht nur die Leute auf dem Sintagma-Platz für falsch, sondern auch die Mehrheit aller Griechen, das ergab eine Umfrage.