Sendung in Israel sucht Holocaust-Überlebende "Dieses eine Prozent Wahrscheinlichkeit"
Heute vor 69 Jahren befreite die Sowjetarmee das Konzentrationslager Auschwitz. In Israel suchen Überlebende und deren Nachkommen noch immer nach Angehörigen. Fünf Mal in der Woche gibt es dafür eine eigene Radiosendung.
"Hallo, hier ist das Programm für die Suche von Verwandten im israelischen Radio." So begrüßt Moderator Izi Mann seine Zuhörer an fünf Nachmittagen in der Woche. "Jede Woche haben wir mindestens einen Anrufer, bei dem es um eine Geschichte geht, die mit dem Holocaust zu tun hat", erzählt er. "Es sind immer noch viele Fälle."
Da ist die Geschichte der Tochter eines Holocaust-Überlebenden: Ihr Vater habe kurz vor seinem Tod von seiner ersten Liebe und einem weiteren Kind berichtet. Was wurde aus ihnen, lassen sich die Nachkommen finden? Oder eine Box mit siebzig Briefen taucht im Nachlass auf: Briefe von 1939, von jüdischen Familien aus Bialystok in Polen an Verwandte im damaligen Palästina. Wer kennt die Familien heute?
Programm ging 1945 auf Sendung
Der Journalist spricht mit den Menschen, nimmt sie auf Sendung. So wie zum Beispiel Shlomo Kasierer am 1. Januar: "Ich suche die Töchter meines Vaters. Also eigentlich meine Schwestern. Sie heißen Dvora und Esther. Die eine wurde 1937 und die andere 1939 geboren. Ich weiß, dass sie in Auschwitz verbrannt wurden. Aber ich habe so ein Bauchgefühl, dass eine von ihnen doch noch lebt."
"Meist sage ich, ich denke nicht, dass wir jemanden finden", sagt Moderator Mann. "Aber ich nehme sie ins Programm, für dieses eine Prozent Wahrscheinlichkeit, dass wir doch Erfolg haben."
Im Dezember 1945 ging das Programm zur Suche von Verwandten zum ersten Mal auf Sendung. Damals, knapp ein Jahr nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, lasen die Moderatoren lange Namenslisten. Nur Namen.
Journalist Mann erzählt von seinem Großvater. Dessen Schwester war mit ihren Töchtern ermordet worden. Doch der Großvater hörte in der Sendung den Namen des Schwagers, der lebte, nach ihm suchte und nach Israel kam. "Mein Vater erzählte mir von der gespannten Erwartung. Aber es war trotzdem traurig. Sein Schwager war ein gebrochener Mann. Er heiratete noch einmal in Israel, aber er hatte nur noch zwei oder drei Jahre. Er starb. Er konnte das erfahrene Leid nicht ertragen."
"Bald gibt es niemanden mehr, der sucht"
Bis 1967 oder 1968 lief die Sendung, erinnert sich Mann. Dann war Schluss. Erst im Jahr 2000 nahm der Journalist Yaron Enosh die Reihe erfolgreich wieder auf: "Mich, als Sohn von Holocaust-Überlebenden, hatte das Gefühl bewegt, dass es die letzte Möglichkeit ist", erinnert er sich. "Bald gibt es niemanden mehr, der etwas erzählen kann und bald auch niemanden mehr, der sucht. Und wenn wir immer noch nach Antworten suchen, dann müssen wir das jetzt tun."
Die Einwanderung von Tausenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion hatte für viele neue Hinweise gesorgt. Heute seien es die Kinder und Enkel, die im Nachlass von Eltern oder Großeltern Hinweise auf bisher nicht genannte Familienmitglieder entdecken, erklärt Izi Mann: "Die Menschen wollen retten, was zu retten ist nach dem Holocaust. Die ermordeten Angehörigen kann niemand mehr retten. Aber Traditionen, das Gedächtnis einer Familie, den Stammbaum. Viele, die anrufen, sagen, ich will wissen, woher ich komme."
69 Jahre nach Ende des Holocaust hat dieser Wunsch auch für die folgenden Generationen nicht an Bedeutung verloren.