Interview

Interview mit Liu Xia "Eine Auszeichnung für die vielen Jahre des Kampfes"

Stand: 08.10.2010 12:27 Uhr

Seit 2009 ist der Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo inhaftiert. Die wichtigste Verbindung zur Außenwelt: seine Frau, die Künstlerin Liu Xia. Die chinesischen Behörden blockieren mittlerweile jeden Kontakt zu ihr, Liu Xia darf nicht aus der Wohnung kommen, um mit Journalisten zu sprechen, so ARD-Korrespondentin Christine Adelhardt. Das ARD-Studio in Peking konnte jedoch kurz vor der Preisbekanntgabe noch mit ihr sprechen.

tagesschau: Was bedeutet der Preis für Liu Xiaobo?

Liu Xia: Dieser Preis ist nicht nur eine Ehre, sondern er bringt eine große Verantwortung mit sich. Der Preis ist eine Auszeichnung für die vielen Jahre des Einsatzes und des Kampfes für einen friedlichen Wandel in China. Wenn man diesen Preis erhält, dann bedeutet das, dass man sich weiter und noch mehr anstrengen muss, um Reformen in China voranzutreiben. Mit dem Preis geht die Hoffnung einher, dass China eine Chance auf Wandel und Reformen hat und das Land sich friedlich hin zu einer Zivilgesellschaft entwickelt. Wenn so viele Augen auf China blicken, dann müssen Veränderungen früher oder später auch Wirklichkeit werden.

tagesschau: Weiß Liu Xiaobo, dass ihn so viele Menschen unterstützt und sich beispielsweise Bischof Desmond Tutu und Vaclav Havel für ihn eingesetzt haben?

Liu Xia: Als mein Mann nach seinem Prozess in das Gefängnis überführt wurde, konnte sein Anwalt kurz mit ihm darüber sprechen (im Februar 2010, Anm. d. Red.). Aber als ich ihn zum letzten Mal im Gefängnis besucht habe (September 2010, Anm. d. Red.), konnten wir über solche Dinge nicht reden. Mein Mann ist nun seit acht Monaten im Gefängnis. Er hat keinen Kontakt zur Außenwelt. Und wenn ich ihn besuche, dann dürfen wir über solche Dinge nicht reden, sonst wird der Besuch sofort abgebrochen. Wir sprechen daher nur über persönliche Dinge, nicht politische.

Liu Xia, die Ehefrau des veurteilten Bürgerrechtlers.
Zur Person

Liu Xia ist Künstlerin und derzeit die wichtigste Verbindung ihres inhaftierten Ehemannes Liu Xiaobo zur Außenwelt. Sie und der chinesische Regimekritiker lernten sich Anfang der 1980er-Jahre in Pekinger Literatenkreisen kennen.

tagesschau: Wie geht es Ihrem Mann im Gefängnis?

Liu Xia: Er ist in einer 30 Quadratmeter großen Zelle untergebracht, zusammen mit sechs anderen Häftlingen. Er hat zweimal am Tag jeweils für eine Stunde Hofgang. Er kann fernsehen, aber er hat keinen Zugang zum Internet oder zu Zeitungen. Er braucht nicht zu arbeiten und verbringt die meiste Zeit mit Lesen. Ich bringe ihm immer Bücher mit. Politische Themen sind verboten, also liest er vor allem Bücher über Geschichte, Religion, Philosophie und Novellen.

tagesschau: Wie oft dürfen Sie ihn sehen?

Liu Xia: Ich darf ihn einmal im Monat für eine Stunde besuchen. Das Gefängnis ist sehr weit weg von Peking. Ich brauche sechs Stunden dorthin. Wir sitzen uns in einem Raum an einem Tisch gegenüber und dürfen miteinander sprechen. Eine Kamera zeichnet die Gespräche auf und zwei Polizeibeamte sind die ganze Zeit mit dabei und protokollieren, was wir reden.

Demonstranten protestieren gegen das Urteil gegen Liu Xiaobo

Demonstranten protestieren gegen das Urteil gegen Liu Xiaobo.

tagesschau: In welcher Verfassung ist Liu Xiabo?

Liu Xia: Es geht ihm gut. Bei der letzten Gesundheitsuntersuchung wurde angeblich Hepatitis festgestellt. Ich mache mir deswegen Sorgen, aber er sagt, er fühlt sich gesund. Auch psychisch geht es ihm gut. Er war darauf vorbereitet, verhaftet und eingesperrt zu werden. Er hat damit gerechnet, es hat ihn nicht überrascht und er war immer bereit, dieses Opfer zu bringen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es passieren würde. Das hat er immer gewusst.

tagesschau: Die chinesische Regierung hat schon im Vorfeld betont, dass sie die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo für einen großen Fehler hält, und dass dies die Beziehungen zwischen China und Norwegen belasten könnte. Was sagen Sie dazu?

Liu Xia: Selbstverständlich sagt die chinesische Regierung, dass der Preis für Liu Xiabo ein Fehler sei. Diese Regierung macht und tut, was sie will. Sie haben meinen Mann auch einfach zu elf Jahren Haft verurteilen können, obwohl er kein Verbrechen begangen, sondern nur seine Meinung gesagt hat. Die Regierung macht sich lächerlich. Die Regierung Norwegens und das Nobelpreiskomitee sind zwei verschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Eine Drohung gegen eine Regierung auszusprechen, weil eine Nichtregierungsorganisation einen Preis vergibt, das ist lächerlich.

tagesschau: Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Liu Xia: Ich ganz persönlich verbinde mit dem Preis die Hoffnung, dass mein Mann vielleicht früher aus dem Gefängnis entlassen wird. Darauf hoffe ich.

Das Interview führte Christine Adelhardt, ARD Peking