Gründung einer Handelsplattform Europas Plan gegen Iran-Sanktionen
Deutschland, Frankreich und Großbritannien stehen kurz vor der Gründung einer eigenen Finanzgesellschaft, um die Iran-Sanktionen zu umgehen. Lässt sich so der Atomdeal retten?
Es ist eine Art Rettungsring für den Iran-Atom-Deal: Mithilfe eines eigens auf den Handel zwischen europäischen und iranischen Firmen zugeschnittenen Zahlungskanals ("Special Purpose Vehicle", SPV) sollen die Geschäfte so gut es geht aufrecht erhalten werden - trotz schärfster US-Sanktionen.
Nach NDR-Informationen wird die Zweckgesellschaft, sobald sie offiziell registriert ist, in Paris angesiedelt sein und einen deutschen Bankenexperten als Geschäftsführer haben. Ebenfalls beteiligt ist Großbritannien. Damit haben sich die drei wirtschaftlich mächtigsten europäischen Staaten zusammengefunden, um den USA in der Iran-Frage die Stirn zu bieten. Anderen EU-Ländern steht es offen, sich dem Trio anzuschließen.
Funktionieren soll das Instrument wohl wie eine Art Tauschbörse, bei der die Lieferungen iranischer und europäischer Exporteure miteinander verrechnet werden. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es auf Nachfrage: "Technische Details können derzeit noch nicht bekannt gegeben werden."
Strukturen im Iran fehlen noch
Ist der offizielle Startschuss erst erfolgt, dürfte es jedoch noch mehrere Wochen dauern, bis die deutsch-französisch-britische Gesellschaft mit der praktischen Arbeit beginnen kann. Die Iraner müssen nämlich in ihrem Land noch entsprechende Strukturen aufbauen. Von europäischer Seite will man sichergehen, dass Regeln zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung in Kraft sind.
Fest steht, dass man mithilfe des neuen Zahlungskanals bei Iran-Geschäften Banken umgehen will, die fürchten müssen, von US-Sanktionen hart getroffen zu werden: "Das Instrument ist hauptsächlich ein symbolisches - indem man zeigt, dass man mit der Trump-Entscheidung, die Sanktionen wieder in Kraft zu setzen, nicht einverstanden ist", sagt Sascha Lohmann, Iran-Deal-Experte der Stiftung für Wissenschaft und Politik.
Es geht um Handel mit Lebensmitteln und Medikamenten
Die große Frage lautet nun: Wird diese europäische Geste dem Iran genügen und Teheran wirklich weiter zum Abkommen stehen? Berlin, Paris und London beginnen bewusst behutsam: Auch wenn der Zahlungskanal als ausbaubar gilt - zunächst ist vorgesehen, dass mit dessen Hilfe lediglich der Handel mit humanitären Gütern wie Medikamenten, Lebensmitteln und Konsumgütern abgewickelt wird. Nicht geplant ist, das Instrument dazu zu nutzen, Ölimporte nach Europa abzurechnen. Das soll es den USA erschweren, mit Strafmaßnahmen zu reagieren.
Geschäft in Teheran: Der Handel mit Lebensmitteln soll aufrecht erhalten werden.
Viele große Konzerne haben sich für den US-Markt entschieden
"Als ich vor zwei Jahren übernahm, wollte der Iran den ganzen Mittleren Osten beherrschen und sich alle Atomwaffen beschaffen, die es nur wollte - wegen dieses dummen Abkommens", sagte US-Präsident Trump. Das sei heute anders. Der US-Präsident setzt alles daran, Teheran wirtschaftlich die Luft zum Atmen zu nehmen. Den Iran aus diesem Würgegriff zu befreien, fällt den Europäern schwer. Große Konzerne haben sich längst für den großen US- und gegen den eher kleinen iranischen Markt entschieden. Das sieht auch Politikexperte Lohmann so: "Die Europäer sind gegenwärtig relativ machtlos, weil ihnen kurzfristig die Mittel fehlen. Das muss aber nicht heißen, dass das mittel- und langfristig so bleibt."
Mit ihrem neuen Zahlungskanal machen sich die Europäer nun nämlich ein Stück unabhängiger vom US-beherrschten Weltfinanzmarkt. Womöglich ist das alles also auch eine Art Fingerübung für die Zukunft. Sollte etwa eines Tages ein Szenario eintreten, bei dem sich die Europäer zwischen dem russischen und dem US-Markt entscheiden müssen, hätte man zumindest mit dem Iran-Werkzeug erste Erfahrungen gesammelt.
Vorerst jedoch geht es darum, den Iran-Atom-Deal zu retten. Dessen Zukunft ist alles andere als gesichert - trotz des neuen Rettungsrings der Europäer.