Nach dem "Nein" der Iren zum Reformvertrag EU-Außenminister suchen Ausweg aus der Krise
Nach dem gescheiterten Referendum in Irland zum EU-Reformvertrag will die Europäische Union ihre Krise möglichst rasch überwinden. Die EU-Außenminister beschlossen, die Ratifizierung des Vertragswerks unbeirrt voranzubringen. Doch eine schnelle Lösung des Problems ist nicht in Sicht.
Soll es nach der Ablehnung des "Lissabon-Vertrags" durch die Iren künftig ein "Kerneuropa" von Staaten geben, die bei der europäischen Integration schneller als andere vorangehen? Mit dieser Frage befassten sich die Außenminister der 27 EU-Staaten bei einer Krisensitzung in Luxemburg. Bei der Vorbereitung des EU-Gipfels in dieser Woche in Brüssel forderte Irlands Außenminister Micheál Martin seine Kollegen auf, die Entscheidung seiner Landsleute zu respektieren. Es sei eine demokratische Abstimmung gewesen. Er räumte ein, dass nach der Ablehnung des EU-Vertrags die Zukunft der Union unsicher sei. Zugleich warnte Martin aber vor überstürzten Entscheidungen, um den Vertrag zu retten. Die EU-Außenminister sprachen sich dafür aus, die Ratifizierung des "Lissabon-Vertrags" fortzusetzen. "Alles geht weiter, aber mit einer zusätzlichen Last", sagte Frankreichs Ressortchef Bernard Kouchner.
Steinmeier bringt "dänisches Modell" ins Spiel
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verwies auf das Beispiel Dänemark als mögliche Lösung in dem Konflikt. 1992 hatten die Dänen bei einem Referendum mehrheitlich gegen den EU-Vertrag von Maastrich gestimmt. Danach waren den Dänen diverse Ausnahmeregelungen angeboten worden. In einem zweiten Referendum stimmten die Dänen 1993 dann für das Vertragswerk. "Das dänische Modell von 1992 könnte Modell sein" für eine Lösung der jetzigen Krise, sagte Steinmeier. Er betonte allerdings, die Entscheidung über das weitere Vorgehen liege zunächst bei der irischen Regierung. Sie könne am besten beurteilen, "ob eine solche Option irgendwann wieder in Betracht kommt".
Steinmeier betonte außerdem, seine am Wochenende verbreiteten Äußerungen über eine "EU-Pause" für Irland seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. "Das ist keine Option, die ich für richtig halte, insofern kommen nur andere Lösung in Betracht", sagte er.
Cowen: "Irland darf nicht isoliert werden"
Martin sagte, für eine Lösung sei es "viel zu früh". Wie der irische Ministerpräsident Brian Cowen lehnte auch er die Idee eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" ab. Martin stellte für sein Land klar: "Es gibt einen aufrichtigen Wunsch in Irland, dass wir ein volles, begeistertes Mitglied der Europäischen Union und im Herzen Europas bleiben wollen." Er agiert als Wegbereiter für Irlands Ministerpräsident Cowen, der beim EU-Gipfel in Brüssel sicherstellen will, dass Irland nicht diplomatisch isoliert wird. In einem Rundfunkinterview am Sonntag hatte er betont, dass die Ablehnung des Vertrags von Lissabon ein Problem sei, mit dem sich die gesamte EU befassen müsse, nicht nur Irland.
Verhaltener Optimismus
"Ich weiß nicht, wie wir das praktisch lösen werden, aber wir werden es zweifellos lösen und wir werden unsere Arbeit fortsetzen", sagte der derzeitige Vorsitzende des EU-Außenministerrates, der slowenische Ressortchef Dimitrij Rupel. Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn glaubt nicht an eine schnelle Lösung. Die EU-Partner müssten Irland "helfen, wieder zurück ins Boot zu kommen". Asselborn schlug eine Erklärung der EU vor, mit der Sorgen der Iren entkräftet und ein erneutes Referendum gerechtfertigt werden könnte. Sein finnischer Amtskollege, Alexander Stubb, sagte: "Der Prozess der europäischen Einigung und Integration wird nicht aufhören, der Reformvertrag ist nicht tot. Die EU bedeutet ständiges Krisenmanagement."
Sarkozy gegen "Europa der zwei Geschwindigkeiten"
Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy sprach sich gegen ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" aus. "Wir sollten keine Kluft zwischen den Staaten schaffen, die den Lissabon-Vertrag ratifiziert haben oder dies noch tun, und zwischen dem einen Land, das ihn abgelehnt hat", sagte er nach einem Treffen mit den Regierungschefs von Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei in Prag. Er sehe es als seine Pflicht an, eine neue Institutionenkrise der EU zu verhindern, sagte Sarkozy, der am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Er wolle selbst nach Irland reisen und herausfinden, wie das Problem des irischen "Neins" zum EU-Reformvertrag minimiert werden könne.
Das Parlament in Prag muss den Vertrag von Lissabon noch ratifizieren, der polnische Präsident Lech Kaczynski die Ratifizierung noch unterzeichnen. Tschechiens EU-kritischer Präsident Vaclav Klaus hat das Reformpapier bereits für erledigt erklärt.
Nach dem Referendum in Irland gilt bis auf weiteres der 2003 in Kraft getretene Vertrag von Nizza als Rechtsgrundlage der EU. Er ist nach Ansicht der meisten Staats- und Regierungschefs auf Dauer für eine EU mit 27 Mitgliedern ungeeignet.