Nach Raketeneinschlag auf Golanhöhen Sorge vor einer weiteren Eskalation
Zwölf Menschen starben bei einem Raketenangriff auf den Golanhöhen. Israel macht die Hisbollah-Miliz dafür verantwortlich - und schlug bereits zurück. UN-Vertreter warnen vor einem Flächenbrand und rufen zu Zurückhaltung auf.
International wächst nach dem tödlichen Raketeneinschlag auf den von Israel besetzten Golanhöhen die Sorge vor einem Flächenbrand. Israel macht die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah für den Angriff mit zwölf Toten verantwortlich. Die Hisbollah hat diesen Vorwurf zurückgewiesen.
Am Morgen griff Israels Militär dennoch an und beschoss nach eigenen Angaben mehrere Ziele im Libanon. Unter den Zielen hätten sich auch Waffenlager sowie terroristische Infrastruktur befunden, teilte das israelische Militär bei Telegram mit. Dazu veröffentlichte es Videoaufnahmen, die die Angriffe zeigen sollen.
Der Stabschef des Militärs, Generalleutnant Herzi Halevi, sagte einer Mitteilung zufolge: "Wir verstärken unsere Bereitschaft für die nächste Phase der Kämpfe im Norden erheblich." Man werde "alle Mittel einsetzen", um die Bewohner wieder sicher nach Hause bringen zu können. Viele sind aufgrund der Spannungen an der israelisch-libanesischen Grenze geflohen.
Kinder und Jugendliche getötet
Die tödliche Rakete war am Samstagabend auf einem Fußballplatz auf den von Israel besetzten Golanhöhen eingeschlagen. Nach israelischen Angaben wurden zwölf Menschen getötet. Bei den Opfern handelte es sich um Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 20 Jahren, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Demnach wurden auch mehrere Menschen verletzt. Der Fußballplatz gehört zu einem Dorf mit Einwohnerinnen und Einwohnern drusischen Glaubens. Die arabischsprachige Religionsgemeinschaft ging im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervor und siedelt heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien.
Hagari sagte, es lägen hinreichende militärische und nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, dass die Rakete von der Hisbollah abgefeuert wurde. Zudem identifizierte er sie als eine Falak-1 aus iranischer Produktion. "Hier auf dem Fußballplatz ist eine Falak-1-Rakete eingeschlagen, eine iranische Rakete mit einem Gefechtskopf mit über 50 Kilogramm Sprengstoff", so Hagari. Die Falak-1 werde nur von der Terrorgruppe Hisbollah benutzt, die diesen Anschlag von Schebaa im Süden des Libanon aus verübt habe.
Netanyahu: "Hisbollah wird hohen Preis bezahlen"
Bereits zuvor hatte Premierminister Benjamin Netanyahu Medienberichten zufolge Vergeltung angedroht: "Die Hisbollah wird einen hohen Preis dafür bezahlen, einen Preis, den sie bislang noch nicht bezahlt hat." Der Regierungschef zog seine geplante Abreise aus den USA um mehrere Stunden vor, schrieb sein Büro auf X. Nach seiner Rückkehr werde er das Sicherheitskabinett einberufen.
Auch die israelische Militärführung war unmittelbar nach dem Vorfall zu Lagebesprechungen zusammengekommen. Verteidigungsminister Yoav Gallant seien "mehrere Optionen für Operationen gegen die Hisbollah" vorgelegt worden, teilte das Ministerium mit. Der Minister habe den Ablauf der Operationen festgelegt und entsprechende Befehle erteilt, hieß es in der Mitteilung, die keine weiteren Einzelheiten nannte.
Der israelische Außenminister Israel Katz drohte der Hisbollah offen mit Krieg. "Es gibt keinen Zweifel, dass die Hisbollah alle roten Linien überschritten hat", sagte er dem Fernsehsender Channel 12. "Wir stehen vor einem umfassenden Krieg." Das könne mit hohen Kosten für Israel verbunden sein, aber die Kosten für die Hisbollah würden noch höher sein, so Katz.
Die Hisbollah selbst bestritt, für den Raketenangriff verantwortlich zu sein. Zwar habe sie Vergeltungsschläge für einen israelischen Luftangriff ausgeübt. Man sei aber nicht für den Raketeneinschlag auf dem Fußballplatz verantwortlich, sagte Mohammad Afif, ein hochrangiger Vertreter der Gruppe.
UN-Vertreter rufen zu Zurückhaltung auf
UN-Vertreter riefen beide Parteien nachdrücklich zu "größtmöglicher Zurückhaltung" auf. "Wir bedauern den Tod von Zivilisten - kleinen Kindern und Teenagern - in Madschd al-Schams. Die Zivilbevölkerung muss zu jeder Zeit geschützt werden", teilten der Chef der UN-Friedenstruppe im Libanon, Aroldo Lázaro, und die Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine Hennis-Plasschaert, in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.
"Wir fordern die Parteien nachdrücklich auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und die anhaltenden heftigen Feuergefechte zu beenden", hieß es weiter. Diese "könnten einen größeren Flächenbrand entfachen, der die gesamte Region in eine unvorstellbare Katastrophe stürzen würde". Man stehe sowohl mit dem Libanon als auch mit Israel in Kontakt.
Borrell fordert unabhängige Untersuchung
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb im Onlinedienst X von "schockierenden Bildern" und fügte an: "Wir brauchen eine unabhängige internationale Untersuchung dieses inakzeptablen Vorfalls." Zudem forderte er alle "Parteien dringend auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und eine weitere Eskalation zu vermeiden".
Die US-Regierung bekräftigte nach Bekanntwerden des Raketeneinschlags ihre Unterstützung für Israel. "Unsere Unterstützung für die Sicherheit Israels ist eisern und unerschütterlich, gegenüber allen vom Iran unterstützten Terrorgruppen, einschließlich der libanesischen Hisbollah", sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Washington. Dies sei von "höchster Priorität".
Bericht: Hisbollah bereitete sich vor
Der Nachrichtenagentur dpa zufolge hatte sich die Hisbollah bereits auf einen Angriff Israels vorbereitet. "Wir sind seit Monaten in Bereitschaft und halten Ausschau nach jeglichem Angriff des Feindes", zitiert die dpa Kreise der Hisbollah. "Dies ist nichts Neues, wir sind in ständiger Bereitschaft", hieß es demnach weiter. Libanesische Medien berichteten, die Miliz habe in Erwartung eines israelischen Angriffs rund 100 ihrer Posten in Vororten südlich der Hauptstadt Beirut geräumt. In diesen Gegenden ist die Hisbollah besonders aktiv.
Bei dem Raketeneinschlag handelt es sich um den schwersten Zwischenfall seit Monaten in den Auseinandersetzungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet. Neben dem fast täglichen Beschuss im Grenzgebiet und tiefer im Landesinneren des Libanon hat Israels Armee auch mehrfach gezielt Hisbollah-Kommandeure getötet. Die Hisbollah verfügt laut der Nachrichtenagentur dpa über ein Arsenal von rund 150.000 Raketen und Drohnen und gilt als noch schlagkräftiger als die Terrormiliz Hamas, gegen die Israel im Gazastreifen kämpft.