Coronavirus in Italien Prodi sieht Nein zu EU-Milliarden als Fehler
Der ehemalige italienische Ministerpräsident Prodi hat das Nein seines Landes zu den EU-Hilfsmilliarden im Kampf gegen die Corona-Krise kritisiert. Gleichzeitig sprach er sich ebenfalls für Eurobonds aus.
Eine holzgetäfelte Decke, das Regal an der Wand hinter ihm in Doppelreihen voll mit Büchern. Romano Prodi sitzt im Arbeitszimmer seiner Wohnung im Zentrum von Bologna. Von hier aus hat er früher an Wochenenden das Land gelenkt, in seinen zwei Amtszeiten als Ministerpräsident. Das politische Herzensthema Prodis ist immer noch Europa. Ob das Nein Italiens zu den angebotenen Milliarden aus dem Euro-Rettungsfonds ESM richtig sei? Prodi schüttelt im Skype-Interview mit dem ARD-Studio Rom den Kopf.
"Mit allergrößer Ehrlichkeit: Meiner Meinung nach nicht", sagt der ehemalige EU-Kommissionspräsident. Obwohl er selbst den Euro-Rettungsfonds häufig kritisiert hat, wegen der harten Bedingungen für die Nehmerländer. Die EU-Finanzminister aber hätten jetzt im Corona-Hilfspaket diese Bedingungen gestrichen, für alle Ausgaben im Gesundheitsbereich. Daher, so Prodi, täte Italien gut daran, die angebotenen Hilfen zu nutzen.
Wir brauchen alle Finanzmittel, um in die Gesundheit zu investieren. Also, auch wenn die Mittel nur auf den Bereich Gesundheit beschränkt sind, ist es richtig, sie zu akzeptieren.
Italien schlägt 39 Milliarden Euro aus
Die Regierung in Rom aber sagt bislang Nein. Sie will die im Corona-Hilfspaket enthalten Mittel aus dem Euro-Rettungsfonds ESM nicht abrufen. Damit schlägt Italien maximal 39 Milliarden Euro aus. Ein Fehler, findet der emeritierte Wirtschaftsprofessor Prodi.
Der ESM ist kein Geschenk. Es ist ein Darlehen. Aber ein günstiges Darlehen mit langer Laufzeit. Und da es wirklich nötig ist, in das Gesundheitssystem zu investieren, ist es, glaube ich, vorteilhaft, das zu akzeptieren."
Vor allem die größte Regierungspartei in Italien, die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, aber auch Ministerpräsident Giuseppe Conte haben Italien ein Nein zu den ESM-Milliarden verordnet.
Angst vor troika-artigen Kontrollen
Dass bei vielen im Land mit dem europäischen Rettungsfonds die Angst vor troika-ähnlichen Kontrollen wie vor einigen Jahren in Griechenland verbunden ist, kann Prodi als bisheriger ESM-Gegner grundsätzlich verstehen. Er sagt aber auch:
In dem Moment, da es ein Versprechen und eine präzise Verabredung gibt, die bisherigen Bedingungen zu korrigieren - da habe ich meine Meinung geändert.
Gleichzeitig aber betont Prodi: Die Hilfen aus dem ESM könnten in der Coronakrise nur ein erster Schritt sein:
Wie die erste Geste, die deutlich macht, dass das Coronavirus nicht ein Problem von politischer Schuld oder schlechter Verwaltung ist. Es ist wie ein Sturm, der von oben kommt. Und da muss man im Sturm zusammenstehen.
Auch Prodi für Eurobonds
Zusammenstehen in Europa. Und zur Solidarität untereinander in Europa, sagt Prodi, gehörten neben dem ESM auch Eurobonds. Nur mit ihnen - und hier ist sich Prodi mit der italienischen Regierung einig - seien die gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen nach der Krise wirklich zu meistern.
Nennen Sie es, wie sie wollen. Recovery Fund, wie es Macron gefällt, Coronavirus-Bond, was ich gut finde. Auf jeden Fall aber ist ein weiteres gemeinsames Instrument erforderlich, über den reformierten ESM hinaus.
Conte hat angekündigt, dass er im nächsten EU-Gipfel am 23. April erneut für Eurobonds kämpfen will. Ob Italiens jetzige Ablehnung der ESM-Milliarden die Verhandlungsposition Roms stärke? Prodi lehnt sich lächelnd zurück. Er sei nicht mehr Amt und könne daher nichts mehr sagen zur Verhandlungsstrategie italienischer Ministerpräsident.