Flüchtlinge in Italien Auf Drohungen folgen Versprechen
Die Drohung Italiens, ein Hafenverbot für Flüchtlingsboote auszusprechen, hat die EU in Alarmbereitschaft versetzt: Kanzlerin Merkel kündigte an, dem Land weitere Hilfen zur Verfügung zu stellen. Auch die EU-Kommission deutete vorsichtig Hilfsbereitschaft an.
Nach der Drohung Italiens, seine Häfen für Flüchtlingsboote zu schließen, hat Kanzlerin Angela Merkel dem Land weitere Hilfen zugesagt. "Wir werden auf jeden Fall auch von deutscher Seite Italien bei der Bewältigung dieser Probleme helfen", sagte Merkel nach einem Vorbereitungstreffen mit den europäischen Partnern zum G20-Gipfel in Hamburg.
Zur Flüchtlingssituation vor der libyschen Küste und auf dem Mittelmeer sagte die Kanzlerin: "Wir können nicht akzeptieren, dass die Illegalität sozusagen die Normalität ist", und dass auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik gemacht werde. "Wir müssen zu legalen Lösungen kommen, und das ist die große Herausforderung." Sie hoffe, dass ein erster Schritt bei der Konferenz der EU-Justiz- und Innenminister kommende Woche gegangen werden könne.
Mehr als 12.000 Migranten auf dem Weg nach Italien
Zuvor hatten italienische Medien berichtet, dass die Regierung erwäge, ein Hafenverbot für ausländische Schiffe zur Flüchtlingsrettung auszusprechen, falls andere EU-Staaten das Land in der Flüchtlingskrise nicht endlich mit konkreten Taten unterstützten. Boote könnten demnach in Häfen der jeweiligen Herkunftsländer umgeleitet werden.
Viele ausländische NGOs sind im Mittelmeer bei der Rettung von Flüchtlingen unterwegs. Derzeit seien 22 Schiffe mit mehr als 12.000 im Mittelmeer geretteten Migranten auf dem Weg nach Italien, hieß es. Seit Januar erreichten nach Angaben des italienischen Innenministeriums mehr als 73.300 Flüchtlinge die italienische Küste. Die Zahl ist im Vergleich zum vergangenen Jahr um 14 Prozent gestiegen.
"Italien unter Druck"
Bei der Pressekonferenz in Berlin sagte Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni, er habe in der Runde die Notsituation in seinem Land geschildert. Die Aufnahmefähigkeit seines Landes sei gefährdet. Italien bitte die EU-Partner daher um einen konkreten Lösungsbeitrag, wolle aber weder EU-Regeln verletzen noch seine humanitäre Haltung aufgeben.
Er stellte sich zwar hinter die EU-Strategie, die bei den afrikanischen Herkunftsländern, der Unterstützung der libyschen Küstenwache und der Schleuserbekämpfung ansetze. Zugleich beklagte Gentiloni, die Aufnahme der Menschen erfolge immer über ein einziges Land - Italien. "Dieser Widerspruch setzt unser Land eindeutig unter Druck."
EU-Kommission beschwichtigt
Die EU-Kommission teilte mit, sie verstehe die Sorge der Italiener und unterstütze ihren Hilferuf, jedoch müssten alle Änderungen mit den anderen EU-Ländern besprochen werden. Auch die Hilfsorganisationen, die die Rettungsschiffe betreiben, müssten in die Gespräche miteinbezogen werden, sagte eine Kommissionssprecherin.
Darf die italienische Regierung ausländischen Seenotrettungsschiffen mit Migranten an Bord überhaupt die Einfahrt in die Häfen verbieten? Die Sprecherin erläuterte, dass für europäische Missionen mit einem offiziellen Mandat besondere Anlandungsregeln gelten. Alles darüber hinaus werde von internationalem Recht abgedeckt, genauer vom Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.
Die EU-Kommission sei bereit, der italienischen Regierung in der Flüchtlingskrise mehr Geld zu geben. Genaue Summen wurden noch nicht genannt. Die Sprecherin verwies wie die Kanzlerin auf das Treffen der EU-Innenminister in der kommenden Woche.
UNHCR mahnt mehr Hilfe an
Hilfsorganisationen kritisierten unterdessen die Drohung Italiens. "Wir sind uns bewusst, dass sich die Lage der Migranten und Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer in den letzten Jahren extrem verschlechtert hat, und dass Italien zu lange an der Frontlinie dieser humanitären Katastrophe steht und eine koordinierte Antwort europäischer Staaten braucht", erklärten die Seenotretter von SOS Méditerranée. Die Häfen für Menschen zu schließen, die vor Gewalt, Krieg und Armut flüchteten, sei jedoch keine Lösung.
"Es ist mehr Solidarität von anderen Ländern nötig, darunter eine größere regionale Verteilung der Verantwortung", forderte auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Das Wichtigste sei aber, dass Menschenleben gerettet werden und die Geretteten Schutz und Unterstützung bekommen, sagte Sprecherin Cécile Pouilly.