Corona-Krise in Italien Conte erntet harsche Kritik für Stufenplan
Das von der Corona-Pandemie schwer getroffene Italien läutet ab dem 4. Mai eine Phase der Lockerungen ein. Kirchen, Gastronomie und Einzelhandel geht der Plan nicht weit genug: Sie fühlen sich benachteiligt.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte erntet Kritik für seine gestern angekündigten Lockerungen der Corona-Restriktionen. Teile der Wirtschaft und die Kirchen bemängeln, man könne diese nicht nachvollziehen.
Conte hatte eine "Phase zwei, eine Phase der Co-Existenz mit dem Virus" angekündigt. Die meisten Geschäfte und Unternehmen sollen im Laufe der kommenden drei Wochen wieder öffnen. Erste "strategisch wichtige" Unternehmen durften bereits heute wieder die Arbeit aufnehmen.
Zunächst keine Gottesdienste erlaubt
Restaurants sollen ab dem 4. Mai zwar einen Außer-Haus-Service anbieten können. Normal öffnen sollen Restaurants, Bars, Friseure und Schönheitssalons aber frühestens ab dem 1. Juni. Museen, Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen dürfen bereits ab dem 18. Mai öffnen. Die Kirchen dürfen weiterhin keine Messen abhalten, an Beerdigungen vorerst höchstens 15 Menschen teilnehmen.
Italiens Bischofskonferenz erklärte in einer Stellungnahme, sie könne "es nicht hinnehmen, dass die Religionsfreiheit gefährdet wird". Die Bischöfe fragten, warum die Menschen demnächst bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ins Museum, aber nicht zur Messe gehen könnten.
Die Regierung und das Expertenkomitee müssten zwischen ihrer Verantwortung für den Gesundheitsschutz und der Zuständigkeit der Kirche unterscheiden. Diese müsse das religiöse Leben "unter Beachtung der angeordneten Maßnahmen, aber in voller Autonomie" gestalten können.
"Allen sollte klar sein, dass der in diesem Notstand so wichtige Einsatz im Dienst für die Armen einem Glauben entspringt, der sich an seinen Quellen nähren können muss, besonders dem sakramentalen Leben", hieß es weiter.
Kritik aus Gastronomie und Einzelhandel
Kritik an dem Zeitplan Contes kam auch aus der Gastronomie: Noch einen Monat länger zu warten, bedeute für die Betriebe weitere neun Milliarden Euro Verluste. "Das Maß ist voll", schrieb der Verband Fipe, der über 300.000 Betriebe vertritt.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte kündigt die ersten Lockerungen in einer TV-Ansprache an.
Ähnlich enttäuscht wie die Gastwirte äußerte sich der Einzelhandel. Die Masse der Geschäfte, zum Beispiel Modeläden, darf erst ab dem 18. Mai öffnen. Der Chef des Handelsverbands Confcommercio, Carlo Sangalli, warnte, jeder Tag mit Corona-Sperre koste die Branche Geld und Jobs.
Der Italien-Experte des Beratungsinstituts Teneo, Wolfango Piccoli, kritisierte: Die groß angekündigte zweite Phase zum Umgang mit dem Coronavirus sei auf eine "Phase 1,5" geschrumpft. Premier Contes Rede, die im Internet und TV zu sehen war, sei "schlecht vorgetragen" gewesen. Wie andere Experten bemängelte Piccoli das Fehlen von Angaben zu den viel diskutierten Warn-Apps und zum Nachverfolgen von Infektionsketten.
Distanzregeln weiterhin gültig
Conte hatte die Lockerungen angekündigt, nachdem gestern die Zahl der neuen Todesfälle auf den niedrigsten Stand seit sechs Wochen gefallen war. Zugleich betonte Conte, Voraussetzung für alle Lockerungen sei, dass die Zahl der Corona-Infektionen nicht wieder nach oben gehe und die Distanzregeln eingehalten würden.
Er wiederholte zudem seine Einschätzung, dass Schulen noch bis September geschlossen bleiben müssten. Alles andere würde auch angesichts der vielen älteren Lehrer ein "zu hohes Ansteckungsrisiko" bedeuten. Die Entscheidung zur Wiederaufnahme der Spiele in Italiens erster Fußball-Liga wurde vertagt.
Fast 27.000 Tote
Italien registrierte seit Februar mehr als 26.600 Corona-Tote. Insgesamt zählte der Zivilschutz in Rom fast 200.000 Menschen, die sich offiziell mit dem Sars-CoV-2-Erreger infiziert hatten.
Unterdessen hat Italien als erstes EU-Land Hilfen aus dem EU-Solidaritätsfonds beantragt. Für 2020 stehen bis zu 800 Millionen Euro für Sofortmaßnahmen gegen das Coronavirus zur Verfügung, wie die EU-Kommission mitteilte. Das Geld könne zum Beispiel für Schutzkleidung ausgegeben werden oder um gefährdete Gruppen zu schützen.