Atomunfall in Fukushima Klagen wegen Schilddrüsenkrebs
Elf Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima haben mehrere Japaner Klage gegen den Atomkraftbetreiber Tepco eingereicht. Sie waren 2011 minderjährig und sind nun an Schilddrüsenkrebs erkrankt.
Im März 2011 bebt in Japan die Erde, im Atomkraftwerk Fukushima kommt es zu drei Kernschmelzen. Chihiro ist damals 15 Jahre alt und lebt nicht sehr weit vom Atomkraftwerk entfernt. Ihren richtigen Namen will sie aus Angst vor Diskriminierung nicht nennen.
2015 merkt sie körperliche Veränderungen: "Ich hatte plötzlich alle zwei Wochen meine Periode, Hautprobleme, hatte in einem Monat bis zu zehn Kilo zugenommen und konnte nicht gut schlucken." Ein Arzt diagnostiziert Schilddrüsenkrebs. Eine Drüse muss entfernt werden.
4,7 Millionen Euro Entschädigung gefordert
Die damalige Studentin fängt an nachzuforschen: "Ich habe dann gelesen, dass Schilddrüsenkrebs entweder durch radioaktive Strahlung entsteht oder genetisch bedingt ist. Aber in meiner Familie hatte niemand diese Krebsart und daraus ergab sich für mich: Ich habe Krebs durch den Unfall in Fukushima."
Gemeinsam mit fünf weiteren Erkrankten fordert Chihiro vom Atomkraftbetreiber Tepco umgerechnet 4,7 Millionen Euro Entschädigung für das erlittene Leid und die Folgeschäden.
Anwalt: "Belege sind stärker als Theorie"
Ein ganzes Team von Anwälten vertritt die Klagenden - zu ihnen gehört Kenjiro Kitamura. Er ist optimistisch, dass es gelingt, einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Krebs und dem Reaktorunfall darzulegen.
"Ein japanisches Sprichwort sagt: Belege sind stärker als die Theorie", sagt Kitamura. Schilddrüsenkrebs trete normalerweise sehr selten auf, bei Kindern seien es ein bis zwei Fälle auf eine Million. "Aber die Zahlen liegen hier um ein Vielfaches höher, das sagt ja schon alles aus."
Wissenschaftler: "Wie viel sucht, der findet"
Der Leiter des Anwaltteams, Kenichi Ido, hatte bereits zuvor erklärt, weil Gesundheitsschäden wahrscheinlich seien, solle der Staat dies gründlich untersuchen und die Daten veröffentlichen. Die Geschädigten sollten angemessen entschädigt werden: "Wir brauchen Gerechtigkeit, und diese Klage ist der Weg zum Ziel."
Von insgesamt seit 2011 untersuchten 380.000 Kindern wurde bei 266 Schilddrüsenkrebs oder zumindest der Verdacht darauf festgestellt. Florian Gering vom Bundesamt für Strahlenschutz führt diese relativ hohe Zahl vor allem auf die genauen und intensiven Untersuchungen in Japan zurück. Also: Wer viel sucht, der findet.
"Es gibt aber sehr viele Anzeichen dafür, dass diese erhöhte Zahl von Schilddrüsenkrebsfällen, die man jetzt entdeckt, daran liegt, dass man viele hunderttausend Kinder mit den bestmöglichen Geräten untersucht", so Gering
Zu früh für eine endgültige Diagnose
In Tschernobyl habe man gesehen: Je jünger die Kinder, umso höher die Krebsrate, sagt der deutsche Wissenschaftler. In Fukushima aber sei das nicht der Fall gewesen.
Dass es einen Zusammenhang zwischen Strahlung und Krebs gibt, verneint der Experte vom Bundesamt für Strahlenschutz nicht. Er glaubt aber, dass es hier noch zu früh für eine endgültige Diagnose ist.