Bercow
Porträt

Unterhaus-Speaker Bercow Der Brexit-Mann der Woche

Stand: 18.01.2019 20:47 Uhr

In den Brexit-Debatten dieser Woche stand einer besonders im Mittelpunkt: Unterhaus-Speaker Bercow stahl mit seiner unkonventionellen Sitzungsleitung allen die Show.

Er ist klein, nur 1,67 Meter groß, was einen seiner zahlreichen Kritiker mal dazu brachte, ihn als "scheinheiligen, dummen Zwerg" zu bezeichnen. Doch wenn er die "honourable Gentlemen", die ehrenwerten Abgeordneten ihrer Majestät, zur Ordnung ruft, dann ist John Bercow ganz groß. 

Der 56 Jahre alte Sohn eines Taxifahrers, mit jüdisch-rumänischen Wurzeln, ist der "Speaker of the House", also der Präsident des Unterhauses. Bercow inszeniert die Debatten seiner Kammer als große Show. Zwischenrufer nimmt er auch gern mal persönlich aufs Korn. So riet er mal einem Krakeeler, er solle sich beruhigen und Yoga betreiben.

Premierministerin May spricht im britischen Unterhaus

Als Präsident des Unterhauses macht Bercow Premierministerin May das Leben schwer.

Kein Mann der starren Traditionen

Jetzt, in den Brexit-Debatten, wächst der kleine Mann geradezu über sich hinaus. Bercow nutzt gnadenlos die Chance, die ihm die Zerrissenheit des Kabinetts und die Schwäche der Premierministerin bieten, um den Einfluss des Parlaments zu stärken.

So ließ er den Antrag eines Abgeordneten passieren, der Theresa May jetzt dazu zwingt, drei Sitzungstage nach dem Scheitern des Austrittsabkommens einen Plan B vorzulegen. Die Brexiteers empörten sich über einen angeblichen Bruch mit den Traditionen des britischen Parlaments. Bercow entgegnete nur cool: "Wenn wir uns immer nur an die Tradition hielten, wäre keinerlei Veränderung möglich."

Bercow hält auch sonst nicht viel von Traditionen. Als er vor zehn Jahren das Amt übernahm, schnitt er erst einmal alte Zöpfe ab: Die Parlamentsbeamten müssen jetzt keine Perücken mehr tragen. Der Speaker ist für viele seiner konservativen Parteifreunde inzwischen zum roten Tuch geworden: Einer von ihnen ertappte ihn am Steuer eines Autos, auf dem ein Anti-Brexit-Aufkleber prangte.

John Bercow

Während der Debatte um das Brexit-Abkommen mit der EU musste Bercow die Abgeordneten oft lautstark zur Ordnung rufen.

Wochenlang in den Klatschspalten

Bercow wies den Vorwurf der Parteilichkeit allerdings mit den Worten zurück, das sei das Auto seiner Frau und die habe er nicht unter Kontrolle. Sally Bercow glänzte übrigens einst in der englischen Promi-"Big Brother"-Sendung. Das Paar war auch wochenlang in den Klatschspalten, als Sally mit dem Vetter des Parlaments-Speakers fremd ging.

Zur Zeit hat Bercow noch ein anderes Problem: Ein Ausschuss untersucht Vorwürfe, er habe Mitarbeiterinnen angepöbelt. Und er musste zugegeben, dass er einmal leise vor sich hin murmelnd die Fraktionsvorsitzende der Konservativen ein "dummes, nutzloses Weib" genannt habe. Gefeiert wurde Bercow dagegen, als er vor dem anstehenden Staatsbesuch Donald Trumps einen Auftritt des US-Präsidenten vor beiden Häusern des Parlaments in London ablehnte. 

Bercow wollte eigentlich bereits im vergangenen Sommer das Amt des Speakers abgeben. Doch er machte einfach weiter,  weil er - so seine Begründung - den Brexit-Prozess zu Ende bringen wolle. Vielleicht hat er aber auch nur Spaß daran, seine Parteifreunde ein bisschen zu ärgern und der Opposition ein bisschen zu helfen.

Jens-Peter Marquardt, Jens-Peter Marquardt, ARD London, 18.01.2019 20:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 19. Januar 2019 um 11:20 Uhr.