Nach Johnsons Brief an EU Die harten Folgen eines harten Brexit
Der jüngste Vorstoß des britischen Premiers Johnson stößt im eigenen Land auf Skepsis: Ein harter Brexit brächte auch für Großbritannien dauerhafte Sicherheitsrisiken mit sich, warnt eine Labour-Politikerin.
Die Botschaft von Großbritanniens Premier Boris Johnson ist und bleibt: Er wolle einen Deal, ein Austrittsabkommen mit der EU. In seinem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk heißt es sogar, dieser Deal habe höchste Priorität für seine Regierung. Dass die EU nicht bereit ist, den Backstop aus dem Vertrag zu streichen, wie von ihm gefordert, umschreibt Johnson so: "Die Freunde auf der anderen Seite des Ärmelkanals" seien gerade etwas widerwillig ihre Position zu ändern, aber er sei zuversichtlich, dass sie das noch tun würden.
Neale Richmond, der Vorsitzende des Brexit-Komitees des Irischen Senats, zeigt sich von Johnsons Brief enttäuscht. Das gelte sowohl für die Sprache des Schreibens als auch für die Tatsache, dass der Brief nichts Neues enthalte. Johnsons Vorschlag für alternative Lösungen sei viel zu vage, so Richmond in der BBC: "Leider haben sich keine alternativen Lösungen bewährt und der Brief des Premierministers gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, was diese Alternativen sein könnten. Es gibt kein Beispiel. Diese Lösungen sind nirgendwo auf der Welt in Betrieb."
Probleme mit Arbeitgebern und Behörden drohen
Während Johnson mit dem Brief seine Verhandlungsbereitschaft signalisieren will, hat sich an der schwierigen Ausgangslage nichts geändert. Dafür aber erhöht seine Regierung den Druck auf die EU. Etwa mit der Ankündigung, dass es mit der Personenfreizügigkeit für Neuankömmlinge aus der EU sofort vorbei sein wird, sollte es am 31. Oktober einen No-Deal-Brexit geben.
Diese Ankündigung sorgt allerdings auch in Großbritannien für Kritik. Diane Abbott, Labour-Politikerin und Schatten-Innenministerin, glaubt, dass Johnsons Kurs zu Chaos führen wird: "Es wird Leute geben, die hier absolut legal hergekommen sind, die aber nicht die Dokumente haben, um das beweisen zu können, und die werden alle möglichen Probleme mit dem Arbeitgeber, dem Gesundheitsdienst NHS und so weiter haben." Wer dann zwischendurch auch noch das Land verlasse, werde noch größere Schwierigkeiten bekommen.
Zugriff auf EU-Datensysteme endet
Insgesamt sei das alles sehr typisch für Johnson, meint die Oppositionelle: Er mache großartige Ankündigungen, ohne sich zu überlegen, was das tatsächlich in der Umsetzung bedeute. Auch die Ankündigung der Regierung, künftig striktere Kontrollen an den Grenzen durchzuführen, um Kriminelle besser herausfiltern zu können, hält Abbott für problematisch: "Eines der Probleme des No-Deal ist die Tatsache, dass wir den Zugang zu allen EU-Datensystemen verlieren werden."
Wenn es aber keinen Zugriff mehr auf das gesammelte Wissen anderer Sicherheitsbehörden gäbe, werde es auch mit der verschärften Kriminalitätsbekämpfung an der Grenze schwierig. James Cleverly, der Sprecher der Tories, sieht diese Gefahr dagegen nicht. "Die Europäische Union, das sind vernünftige, pragmatische Leute. Es kann niemand daran interessiert sein, den Austausch von Geheimdienstinformationen zu reduzieren", meint er. "Das ist nicht in deren Interesse, das ist nicht in unserem Interesse." Es sei unrealistisch, dass die EU ihre eigene Sicherheit oder die Großbritanniens behindern wolle: "Das ist lächerlich."
Wie die Kooperation künftig noch aussehen kann, dürfte eines der vielen Themen sein, die Boris Johnson in dieser Woche unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besprechen wird.