Getöteter Journalist Was im Fall Khashoggi bekannt ist
Immer mehr Details werden im Fall Khashoggi bekannt. Dennoch ist noch vieles unklar. Was genau ereignete sich am Tag seines Todes? Wo ist seine Leiche? Was ist bekannt über die Täter?
Was passierte im saudischen Konsulat in Istanbul?
Noch ist das nicht abschließend geklärt. Sicher ist, dass der Journalist Jamal Khashoggi getötet wurde, nachdem er am 2. Oktober gegen 13.30 Uhr das saudische Generalkonsulat in Istanbul betreten hatte. Khashoggi wollte Papiere für seine Hochzeit abholen. Seine türkische Verlobte wartete vor dem Gebäude über Stunden vergeblich auf die Rückkehr des 59-Jährigen.
Die türkische Regierung geht von einem Mord an Khashoggi aus, der demnach schon Tage zuvor geplant worden war. Laut türkischen Ermittlern soll ein mehrteiliges, 15-köpfiges Spezialkommando den Mord ausgeführt haben.
Das Foto soll Jamal Khashoggi zeigen, wie er das saudi-arabische Konsulat in Istanbul betritt.
Die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak" berichtete unter Berufung auf eine angebliche Audioaufnahme von dem Geschehen, saudi-arabische Agenten hätten Khashoggi während eines Verhörs die Finger abgeschnitten und ihn später enthauptet.
Die Internet-Seite "Middle East Eye" berichtete, dass der Todeskampf Khashoggis sieben Minuten gedauert haben soll. Der Autor des entsprechenden Berichtes bezog sich auf eine türkische Quelle, die die Audioaufnahme gehört haben soll. Khashoggi soll zunächst geschrien haben, bis ihm eine Substanz injiziert worden sei. Danach sei sein Martyrium weitergegangen, bis er tot war.
Saudi-Arabien räumt den Tod Khashoggis in dem Konsulat ein, weist die Darstellungen der türkischen Regierung und der Medien zurück.
Wen macht Saudi-Arabien für die Tötung verantwortlich?
Die Regierung in Riad räumte die Tötung Khashoggis im Konsulat erst am Wochenende ein. Zuvor hatte sie vehement jede Kenntnis darüber bestritten. Die offizielle Darstellung aus Riad lautet, er sei im Zuge eines aus dem Ruder gelaufenen Streits getötet worden. Saudi-arabische Staatsbürger hätten eine körperliche Auseinandersetzung mit Khashoggi gehabt und hätten ihn ruhig halten wollen. Dabei sei er in einem Würgegriff gestorben.
In Saudi-Arabien seien 18 saudische Staatsangehörige festgenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Spa. Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun sagte, tauchen die von der Türkei ermittelten Namen des 15-köpfigen saudischen Spezialkommandos unter denen der Festgenommenen auf. Er verlangte, dass den Festgenommenen in der Türkei der Prozess gemacht wird.
Wie die saudische Nachrichtenagentur Spa weiter berichtete, seien zwei Berater des Kronprinzen Salman entlassen worden. Dabei gehe es um den Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri. Der Geheimdienst werde von Salman nun neu strukturiert, hieß es.
Darüber hinaus sei der für Medienangelegenheiten zuständigen königliche Berater Saud bin Abdullah al-Kahtani entlassen worden. Gerade Al-Kahtani galt vielen als enger Vertrauter des Kronprinzen, der sich besonders in den sozialen Netzwerken äußerst aggressiv gegenüber den Kritikern des Königshaus zeigte.
Wo ist die Leiche Khashoggis?
Khashoggis Leiche wurde bislang nicht gefunden. Sie - beziehungsweise die Leichenteile - sollen in den Belgrader Wald nördlich von Istanbul oder in die Region rund um die Stadt Yalova am Marmarameer 90 Kilometer südlich von Istanbul gebracht worden sein. Das vermuten türkische Ermittler. Mehrere verdunkelte Autos sollen am Tag der Tötung das Konsulat verlassen haben.
Nach Berichten türkischer Medien durchsuchten Ermittler in der vergangenen Woche den Wald. Wie Staatschef Recep Tayyip Erdogan sagte, gibt es Hinweise darauf, dass vor dem Mord ein Team aus Saudi-Arabien im Belgrader Wald und im Bezirk Yalova Nachforschungen anstellte. Belege für seine Darstellung der Ereignisse präsentierte Erdogan nicht.
Die türkische Polizei fand am Montag in einer Tiefgarage im Norden Istanbuls ein Auto des Konsulats. Es soll in den Tagen nach der Tötung Khashoggis abgestellt worden sein. Bei der Durchsuchung sollen persönliche Gegenstände von Khashoggi gefunden worden sein. In zwei Koffern seien unter anderem ein Computer und Dokumente Khashoggis verstaut gewesen, berichtete der Sender CNN Turk.
Was ist über die möglichen Täter bekannt?
Laut den türkischen Ermittlern soll ein mehrteiliges 15-köpfiges Spezialkommando den Mord ausgeführt haben. Den Darstellungen Erdogans zufolge soll einen Tag vor dem Mord das erste saudi-arabische Kommando in Istanbul angekommen sein. Am 2. Oktober sei dann ein zweites Team in Istanbul gelandet.
Erdogan sprach von insgesamt drei saudischen Teams, die mit dem Verschwinden Khashoggis in Istanbul zu tun hatten. Sie seien am Tag des Mordes zwischen 9.50 Uhr und 11 Uhr Ortszeit unabhängig voneinander ins Konsulat gekommen, um sich dort zu treffen. Das saudische Spezialkommando soll noch am Abend das Land verlassen haben.
Die türkischen Darstellungen betonen immer wieder die Nähe der Täter zu Kronprinz Salman. Die Regierungszeitung "Sabah" benannte Mitte vergangener Woche in einem ganzseitigen Artikel den angeblichen "Kopf des Vollstreckungsteams". Der Mann habe Salman auf seinen Reisen oft begleitet, hieß es in dem Artikel. Die "New York Times" hatte den Mann zuvor ebenfalls als häufigen Begleiter des Prinzen identifiziert. Er sei zum Beispiel in Madrid und Paris mit ihm aus dem Flugzeug gestiegen.
Die regierungsnahe türkische Zeitung "Yeni Safak" berichtete, dass der Leiter des saudischen Kommandos aus der Türkei viermal den Bürochef von Kronprinz Mohammed bin Salman anrief. Das Telefonat soll von dem Büro des Generalkonsuls aus und nach dem Tod Khashoggis geführt worden sein.
Woher kommen die Informationen der Türkei?
Die türkische Regierung lanciert seit dem Verschwinden Khashoggis am 2. Oktober Indizien über den Fall des toten Journalisten. Sie beruft sich auf türkische Ermittler, die im Besitz eines Audiomittschnitts und von Videomaterial aus dem Konsulat sein sollen. Der mögliche Besitz solchen Materials könnte bedeuten, dass die Türkei das Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul ausspioniert. Erdogan erwähnte in seiner Rede die möglichen Audio- und Videomittschnitte nicht.
Die Türkei lenkte in ihrer Informationspolitik früh den Verdacht auf das direkte Umfeld des saudischen Kronprinzen Salman. Die regierungsnahe türkische Zeitung "Sabah" veröffentlichte viele angebliche Erkenntnisse der türkischen Sicherheitskräfte, genauso die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak".
Mehrere Menschenrechtsorganisationen appellierten an die Türkei, UN-Generalsekretär António Guterres aufzufordern, eine Untersuchung zum Verschwinden Khashoggis einzuleiten. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bot nun an, mit den Vereinten Nationen, internationalen Gerichten und anderen Institutionen gemeinsame Ermittlungen einzuleiten. Cavusoglu bekräftigte, dass die Türkei weiter ermitteln werde.