Ukrainisch-Orthodoxe Von Moskau bald ganz losgelöst?
Die Ukraine ist ihrem Ziel einer kirchlichen Unabhängigkeit von Russland nähergekommen. Eine Bischofskonferenz widerrief die Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat - sehr zum Ärger des Kremls.
Es ist eine wichtige Entscheidung, die da in Istanbul von Bartholomaios I. getroffen wurde. Das Oberhaupt aller orthodoxen Christen entschied, der ukrainisch-orthodoxen Kirche die Selbstständigkeit zu verleihen. Somit wäre die Kirche nicht mehr abhängig vom Moskauer Patriarchat.
In Kiew war der Jubel groß. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wandte sich an sein Volk mit einer herzlichen Gratulation "zu diesem grandiosen historischen Ereignis". Die Entscheidung sei ein großer Sieg des freiheitsliebenden ukrainischen Volkes über den "Moskauer Teufel", ein "Sieg des Guten über das Böse, des Hellen über das Dunkle."
Der Patriarch in Istanbul, der so etwas wie der Erste unter den Ersten ist, entschied zudem, den Patriarchen der ukrainisch-orthodoxen Kirche Filaret wieder als Oberhaupt einzusetzen. Vor Jahren war dieser von Moskau mit einem Kirchenbann belegt worden.
Patriarch Filaret aus Kiew, der demnächst 90 Jahre alt wird, empfindet Genugtuung. "Wir wollen, dass die ukrainisch-orthodoxe Kirche nicht nur äußerlich einig wird, sondern auch geistlich", sagt er, "und dass sie den ukrainischen Staat vor Feinden schützt."
Der Patriarch in Istanbul entschied, den Patriarchen der ukrainisch-orthodoxen Kirche, Filaret (in der Bildmitte), wieder als Oberhaupt einzusetzen.
Immer weniger Russisch-Orthodoxe in der Ukraine
45 Prozent der Gläubigen in der Ukraine bekennen sich zur ukrainischen Orthodoxie, 13 Prozent zur russischen. Ihr Anteil schwindet. Vor Monaten schickte der Patriarch in Konstantinopel zwei Emissäre, Exarchen genannt, nach Kiew. Diese kamen mit der Nachricht zurück, natürlich habe die ukrainisch-orthodoxe Kirche das Recht, selbstständig zu sein.
In Moskau ist die Empörung groß. "Der Patriarch von Konstantinopel begibt sich auf diese Weise auf den Kriegspfad", sagt Metropolit Ilarion in Moskau, zuständig für die Außenbeziehungen der russisch-orthodoxen Kirche. Das sei nicht nur ein Krieg gegen die russisch-orthodoxe Kirche, das sei ein Krieg gegen die Einheit der Orthodoxie weltweit.
Die russisch-orthodoxe Kirche, die Klöster, Kirchen und Gemeinden in der Ukraine unterhält, sieht die Ukraine als Teil ihrer Kirche, was historisch gesehen verständlich ist. Das Kiewer Patriarchat hat die ukrainisch-orthodoxe Kirche im Grunde nie anerkannt, die Selbstständigkeit abgelehnt.
45 Prozent der Gläubigen in der Ukraine bekennen sich zur ukrainisch-orthodoxischen Kirche.
Russisch-ukrainische Beziehungen schlecht wie nie
Seit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ost-Ukraine sind die Beziehungen an einem Tiefpunkt angelangt. Russische Medien behaupten nun, die Exarchen stünden im Dienste einer ukrainischen Diaspora, die aus dem Ausland die Spaltung vorantreibe, die USA hätten ihre Finger im Spiel.
"Poroschenko, dessen Wahlslogan 'Armee, Sprache, Glaube' lautet, versucht gerade, sich die Kirche zu eigen zu machen", sagt der russische Politologe Alexander Assafow. "Damit sie in seinen Diensten steht. Das Szenario dafür ist sehr professionell geschrieben, und ich denke, dass es in Washington verfasst wurde."
Gewaltsame Übernahme von Gotteshäusern?
Noch nicht absehbar ist, was die Entscheidung nun bedeutet. Die nationalistischen Kräfte in der Ukraine haben in den vergangenen Monaten an Einfluss gewonnen. Dass es irgendwann zu einer gewaltsamen Übernahme von Gotteshäusern oder Klöstern kommt, ist nach der neuesten Entscheidung nicht mehr ausgeschlossen. Filaret, der Patriarch der ukrainisch-orthodoxen Kirche bemüht sich erst einmal, nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen.
"Die Bildung der Vereinigten Orthodoxen Kirche der Ukraine bedeutet nicht, dass auf unserem ukrainischen Territorium nicht auch eine andere Kirche existieren darf", sagt er. "Ich meine damit die Russische Kirche. Sie werden sich in Zukunft aber nur als die Russische Kirche und nicht die Ukrainische Kirche bezeichnen dürfen."
Denn vielen Gläubigen war bislang nicht klar, in welcher Kirche sie waren, wenn sie zum Gottesdienst gingen. Das soll sich nun ändern. Ob dann ein Hinweis am Gotteshaus angebracht wird, ist noch nicht entschieden. Auf jeden Fall ist die Entwicklung eine weitere Reaktion auf die Ukraine-Politik Putins, der frühere Zusammenhalt zerbricht zusehends. Und Präsident Poroschenko, der im nächsten Jahr wiedergewählt werden will, nutzt das Ganze bereits für den Wahlkampf.
Vielen Gläubigen in der Ukraine war bislang nicht klar, welche Kirche sie besuchten.
"Russland verliert letzten Hebel"
Vor populistischen Tönen schreckt das ukrainische Staatsoberhaupt nicht zurück. "Was wir erleben, ist der Fall des Dritten Roms. Der Anspruch Moskaus auf die Weltherrschaft geht zu Ende. Russland verliert seinen letzten Hebel in einer ehemaligen Kolonie."
Der Kreml warnte vor schweren Folgen des ukrainischen Strebens nach kirchlicher Unabhängigkeit. Russland werde die Interessen der Orthodoxen in der Ukraine schützen, erklärte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Das werde aber ausschließlich auf politischem und diplomatischem Weg geschehen.