Protest der Reservisten in Israel "Wir dienen keiner Diktatur"
Nach der Verabschiedung eines wichtigen Teils der Justizreform protestierten am Wochenende wieder Zehntausende - unter ihnen viele Reservisten der Armee. Sie sind heute Thema im Verteidigungsausschuss.
Yiftach Golov ist wieder auf die Kaplan-Straße in Tel Aviv gekommen. Seit 30 Wochen treffen sich hier die Gegnerinnen und Gegner der Justizreform. Wie Zehntausende andere ruft er: "Demokratia", also "Demokratie!". Und er sagt:
Das Fundament dieses jüdischen demokratischen Staates wird ausgehöhlt.
Golov hält eine israelische Flagge. Er trägt ein olivfarbenes T-Shirt und eine Mütze der "Brothers and Sisters in Arms" - übersetzt: "Waffenbrüder und -schwestern". Die Reservistenorganisation ist bei den Protesten gegen den Umbau der israelischen Justiz ganz vorn dabei.
Patriot und Gegner der Regierungspläne
Seit 20 Jahren ist Golov freiwillig Reservist. Er lässt keinen Zweifel an seinem Patriotismus. Die Pläne der rechtsnationalen Regierung lehnt er aber ab. Dazu sagt er: "Wir werden keiner Diktatur dienen. Das ist unsere klare Botschaft. Nur einem demokratischen jüdischen Staat."
Golov ist einer von mehr als 13.000 Reservistinnen und Reservisten, die nicht mehr freiwillig zum Dienst kommen wollen. In Israel ist theoretisch jeder und jede nach dem Wehrdienst in der Reserve. Die Reservistinnen und Reservisten sind ein wichtiger Teil der Streitkräfte. Einzelne Einheiten könnten ohne sie langfristig nicht mehr einsatzbereit sein.
Mehr als 150 Kampfpiloten setzen Dienst aus
Für Aufsehen sorgt vor allem, dass mehr als 150 Kampfpiloten ihren Dienst ausgesetzt haben. Denn die Luftwaffe ist für Israels Sicherheit essenziell. Fachleute gehen davon aus, dass Reservisten bei Kampfeinsätzen die Hälfte der Crews stellen.
Selbst Oppositionsführer Jair Lapid ruft die Soldaten auf, den Dienst nicht zu verweigern. Sie sollten erst die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abwarten - der will im September über das vor einer Woche beschlossene Gesetz beraten. Und auch Premierminister Benjamin Netanyahu erinnert die Reservisten immer wieder daran: Soldaten unterstehen der gewählten Regierung.
Generalstabschef setzt Videoappell ab
Herzi Halevi appelliert ebenfalls an ihr Pflichtgefühl. Der israelische Generalstabschef wandte sich in der vergangenen Woche in einer Videobotschaft an sie. Darin sagte er:
Wir müssen die Reservisten zusammenbringen. Sie liegen uns sehr am Herzen. Sie leisten einen großen Beitrag zur Sicherheit des Landes. Auch diejenige, die sich schweren Herzens entschieden haben, nicht zum Dienst zu kommen. Wir brauchen sie.
Noch hält sich die Armee damit zurück, gegen die protestierenden Reservistinnen und Reservisten vorzugehen. Möglich wären Gefängnis, Suspendierungen oder Entlassungen. Offenbar versucht das Militär, dem aus dem Weg zu gehen. Aktuell werden erst andere Freiwillige zu Übungen und Einsätzen gerufen.
Verteidigungsausschuss des Parlamentes berät
Wie es weitergehen soll, berät heute der Verteidigungsausschuss des Parlaments. Er trifft sich im Ministerium in Tel Aviv zu einer Sondersitzung. Verteidigungsminister Joav Gallant will den Abgeordneten einen Überblick geben, wie es um die Einsatzbereitschaft der Armee steht.
So laut der Protest der Reservistinnen und Reservisten ist - sollte es zu einer militärischen Eskalation kommen, stehen sie vor einem Dilemma. Der Reservist Yiftach Golov weiß das. Für ihn ist das "sehr beunruhigend", sagt er.
Wir sind Patrioten. Wir kämpfen in erster Reihe. Wir wissen, welche Konsequenzen das haben kann. Das ist sehr persönlich und emotional für uns.
Auf Patriotismus und Pflichtgefühl dürfte auch die Regierung setzen. Zumindest insgeheim baut sie wohl darauf, dass die Reservistinnen und Reservisten im Ernstfall wieder zum Dienst kommen.