Bulgarien EU-Millionen versickern im Stadionbau
Mithilfe von EU-Geldern sind in Bulgarien viele Stadien auf dem Land entstanden - wenig besucht und mitunter stark sanierungsbedürftig: Ein Stadion ist nahezu abbruchreif.
Leichtathletiktraining im Stadion von Kostenez: Anstelle des üblichen Tartanbelags liegt auf der Bahn ein schmutziger roter Gummi voller Löcher. Ohne Weiteres lassen sich große Stücke herausbrechen, und die 16-jährige Gabriella muss beim Hundertmeterlauf höllisch aufpassen.
Es ist sehr schwierig, berichtet sie. Zwar fänden sie einen Weg, aber eigentlich sei es unmöglich, auf der Bahn zu trainieren. "Wir laufen oft mit Spikes, aber trotzdem ist es rutschig, und wir stürzen oft", beklagt die junge Sportlerin.
Viereckig statt oval
Außerdem ist die Leichtathletikbahn des Stadions nicht oval wie üblich, sondern viereckig. Und damit nicht genug. In einer der vier Ecken müssen die jungen Sportler sogar um einen hohen weißen Pfeiler und einen Sicherungskasten herumlaufen.
Beim Laufen kürzen sie deswegen ab, erklärt Gabriella. "Wenn wir eine Runde laufen sollen, dann rennen wir durch das Gras, um die Kurve zu nehmen."
Kostenez ist nicht irgendein bulgarischer Sportverein. Dort arbeitet zum Beispiel der frühere Trainer von Jordanka Donkowa, bulgarische Weltrekordlerin und Olympiasiegerin im 100 Meter-Hürdenlauf.
Trainerin sorgt sich um Sportler und Zuschauer
Auch der Nachwuchs holt immer wieder Medaillen, doch die hohe Verletzungsgefahr für die jungen Sportler beunruhigt die Trainerin Dobromira Pentschewa.
Sie trägt einen weiß-grünen Trainingsanzug in den Farben des Vereins und macht auf die große Tribüne aufmerksam. Denn das Dach ist einsturzgefährdet und eine Gefahr für die Zuschauer, sagt die schlanke, dunkelhaarige Frau kopfschüttelnd.
"Sie sehen, dass die Bretter lose sind. Mein Fußballkollege versucht, sie mit Bällen herunter zu schießen, damit sie die Kinder nicht treffen, wenn sie von selbst herunterfallen", berichtet Pentschewa.
Mit der bloßen Hand lassen sich ganze Stücke von der Außenwand abbrechen, demonstriert Leichtathletiktrainerin Dobromira Pentschewa.
EU-Millionen für Sanierungsfall
Der grüne Fußballrasen in Kostenez ist in Ordnung. Ansonsten ist das Stadion ein Sanierungsfall. Dabei flossen 2014 umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro der EU in eine zweijährige Rundumsanierung, nach der das Stadion schlechter war als zuvor.
Zur viereckigen Laufbahn kommen kaputte Aufzüge und ein Fitnessraum mit ruiniertem Boden. Die zuständige Sanierungsfirma sei angeblich nicht auffindbar, erzählt Pentschewa verärgert. Für sie ist das ein Fall von Korruption.
"Ich glaube, dass das meiste Geld ist gestohlen worden und dann wurde gemacht, was mit dem Rest möglich war. Das Gras für den Fußball ist da, aber für uns Leichtathletikclubs wurde nichts gemacht", kritisiert sie.
Die Leichtathleten trainieren nun im Nachbarort Dolna Banja, der ein großes Stadion hat mit Fußballrasen und guter Tartanbahn.
Auffallend viele Stadien auf dem Land
Ein weiteres großes Fußballstadion steht in Lesitschowo. Nur rund 80 Menschen verlieren sich auf den großen Rängen und jubeln Teams der Regionalliga zu. Auf dem Land sind in den letzten Jahren auffallend viele Stadien gebaut worden, die keiner brauche, sagt der Sportjournalist Georgi Filipow. Er sieht das kritisch.
"Für den Profifußball ist seit den 60er Jahren in den Großstädten kein einziges neues Stadion gebaut worden Dafür sind viele kleine Stadien in Dörfern entstanden. Die sind menschenleer", schildert Filipow.
Der Grund sei einfach. Die Stadien wurden als Projekte des EU-Dorfentwicklungsprogramms finanziert. "Und diese Projekte mussten irgendein Sportelement beinhalteten. Das hat man genutzt, um an Gelder für Stadien zu kommen", berichtet Filipow.
Aus seiner Sicht ist das eine Einladung zur Veruntreuung von Geldern, denn Bulgarien hat ein massives Problem mit Korruption.
Die Außenwand des Stadions ist hohl, porös und voller Löcher.
"Alles fällt auseinander"
Auf ihrer Spezialführung durch das marode Stadion von Kostenez klopft Trainerin Pentschewa von außen auf die hohle Außenwand und hält gleich wieder ein Stück davon in der Hand.
"Hier, das ist eine Spanplatte. Alles zerfällt. Ich kann es allein ablösen. Ein Jahr nach der Einweihung hat alles angefangen zu zerfallen."
Das marode Stadion von Kostenez gehört der Gemeinde. Auf Anfrage teilte diese mit, sie habe gegen das Bauunternehmen Klage eingereicht.