Konflikt auf der Krim Die einzigartige Provinz
Die Krim hatte eine Sonderstellung in der Ukraine. Ihre Geschichte, ihre Geografie und ihre Bevölkerung unterschieden sie vom Rest des Landes - und bestimmten den Kurs, den die Krim nach dem selbst erklärten Anschluss an Russland nun nimmt.
Wie ein rautenförmiger Zipfel ragt die Krim ins Schwarze Meer, mit dem Rest der Ukraine nur verbunden über die acht Kilometer breite Landenge von Perekop im Norden. Mit einer Fläche von etwas über 26.000 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von knapp zwei Millionen Menschen ist sie nur geringfügig größer als Mecklenburg-Vorpommern.
An der Schwarzmeerküste im Süden der Halbinsel herrscht ein fast mediterranes Klima, dort wachsen die Reben, aus denen der berühmte Krimsekt gekeltert wird. Millionen Urlauber zogen zu Sowjetzeiten an die Strände der Krim. Im Norden, in den Steppen jenseits der Krim-Berge, ist das Klima deutlich rauer.
Die zwei größten Städte sind die Provinzhauptstadt Simferopol und die autonome Hafenstadt Sewastopol. Die Kurstadt Jalta gelangte zu Weltruhm, als dort 1945 Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt und Josef Stalin über die künftige Aufteilung Europas berieten.
"Von nun an und für alle Zeiten" russisch
Viele Jahrhunderte lang war die Krim die Heimat nomadischer Völker aus Zentralasien. Die "Khanate" der Tataren waren mal selbständig, mal dem Namen nach angrenzenden Großmächten wie dem Osmanischen Reich angeschlossen. Aus der Sprache der Tataren stammt auch das Wort "Krim", es bedeutet "Felsen" oder "Festung".
Doch das änderte sich, als 1783 Katharina die Große die Krim annektierte und sie "von nun an und für alle Zeiten" zum russischen Gebiet erklärte. Den Worten ließ sie Taten folgen: Gezielt siedelte sie ethnische Russen an. Die autonome Republik Krim ist heute der einzige Landesteil der Ukraine, in dem Russen die große Mehrheit der Bevölkerung stellen. Die Hafenstadt Sewastopol machten die Zaren zum Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte, was sie bis heute ist.
Die ansässigen Krimtataren wurde zurückgedrängt, ins unwirtliche Innere der Halbinsel, aber auch nach Zentralasien und in die heutige Türkei. Mit den Türken verbindet sie die islamische Religion und ihre Sprache, die auch Krim-Türkisch genannt wird. In der Türkei gibt es heute noch eine große krimtatarische Diaspora.
Unter Chruschtschow wurde die Krim ukrainisch
Als 1942 die Deutschen in die mittlerweile sowjetische Krim einmarschierten, stellten sich bis zu 20.000 Tataren gegen die Russen auf die Seite der Wehrmacht. Dafür sollte ihr Volk bitter bezahlen: Stalin ließ die Krimtataren fast restlos nach Zentralasien deportieren. Schätzungsweise fast die Hälfte der ungefähr 200.000 Menschen starb im Zuge der Deportationen. Zwischen 1944 und 1979 gab es praktisch keine Tataren mehr auf der Krim. Erst ab 1989 durften sie offiziell zurückkehren, inzwischen stellen sie wieder zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung.
Stalins Nachfolger Chruschtschow schlug die Krim 1954 der ukrainischen Sowjetrepublik zu. Chruschtschows ukrainische Herkunft sorgte dafür, dass die Russen die Übertragung von Anfang an mit Misstrauen betrachteten, doch im kommunistischen Riesenreich war die Nationalität eher Nebensache. Offiziell war man Sowjetbürger, nicht Russe oder Ukrainer.
Und auf der Krim hält sich der sowjetische Gedanke hartnäckig: Noch 2008 antworteten fast 15 Prozent der Krim-Bewohner in einer Umfrage nach ihrer kulturellen Identität mit "sowjetisch". Eine Minderheit ist das dennoch: Über die Hälfte der Menschen auf der Krim sah sich als kulturell russisch an. Nur 8,3 Prozent bezeichneten sich als kulturelle Ukrainer.
Lange verlief die kulturelle Grenze auf der Krim nicht - wie beim Aufstand gegen Janukowitsch - zwischen Russen und Ukrainern, sondern zwischen den christlichen Russen und Ukrainern und den sunnitisch-islamischen Tataren. Viele Bewohner der Krim glauben bis heute, die Tataren seien 1942 allesamt Nazi-Kollaborateure gewesen. In den letzten Jahren warnten russische Politiker und Medien oft vor Islamisten unter ihnen, doch eine weit verbreitete Radikalisierung wie im Kaukasus fand man auf der Krim bislang nicht.
Der Islam steht nicht im Mittelpunkt
Die Tataren fühlen sich in erster Linie nicht religiös, sondern sozial und wirtschaftlich ausgegrenzt. Eine weitreichende Entschädigung für die Deportationen gibt es bis heute nicht. Obwohl ihnen nach ukrainischem Recht Land für eine Zentralmoschee zusteht, mussten die Tataren zehn Jahre lang kämpfen, bis ihnen 2011 ein Grundstück in einem Außenbezirk von Simferopol zugesprochen wurde.
Immer wieder geraten die Tataren in Konflikt mit den "Russischen Kosaken", lose organisierte Verbindungen von russischen Patrioten auf der Krim. Manche dieser Kosakeneinheiten gleichen Pfadfindergruppen, andere eher paramilitärischen Einheiten. In den Auseinandersetzungen mit den Tataren befinden sie sich aber immer an vorderster Front.
Die Erfahrungen mit den Kosaken, ihre Ausgrenzung, aber auch die Erinnerung an die Deportation und die Jahrzehnte im Exil sind es, die die Tataren als Unterstützer der ukrainischen Revolutionäre auf die Straße trieben. Denn sie wissen vielleicht nicht, was sie von der Ukrainern aus dem Westen zu erwarten haben. Doch ein Anschluss der Krim an Russland ist das letzte, was die Tataren sich wünschen.