Neuer Premier Griechenlands Was Mitsotakis jetzt tun muss
Griechenlands Wahlsieger Mitsotakis hat mit Steuersenkungen geworben. Wie er das bezahlen könnte und was das Land außerdem braucht, erklärt Politologe Kritikos im tagesschau24-Interview.
tagesschau24: Wie sieht die wirtschaftliche Lage in Griechenland zurzeit aus?
Alexander Kritikos: Die wirtschaftliche Lage ist nicht wirklich gut. In den vier Jahren unter Alexis Tsipras hat Griechenland mehr oder weniger eine Seitwärtsbewegung gemacht. Angesichts der Tatsache, dass zwischen 2008 und 2014 Griechenland 27 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verloren hat, ist das aber viel zu wenig. Darüber darf auch das kleine Wachstum von 1,9 Prozent vom vergangenen Jahr nicht hinwegtäuschen.
Das Wachstum war viel zu sehr dem Anstieg des Tourismus geschuldet. Ansonsten gibt es keine wirkliche Basis für ein Wachstum in dem Land. Das ist nicht verwunderlich, denn die Investitionen sind in den vergangenen Jahren in Griechenland ausgeblieben. Vergleicht man den Durchschnitt der Investitionen in Griechenland mit Europa dann fehlen jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro.
tagesschau24.de: Sie sagen, dass Investitionen wichtig sind. Das hat der Wahlsieger Kyriakos Mitsotakis den Menschen in Griechenland versprochen - ebenso umfangreiche Steuersenkungen.
Kritikos: Steuersenkungen sind sicherlich ein ganz wesentlicher Schritt, damit die griechische Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Unter Tsipras wurde die Steuerschraube eigentlich völlig überdreht. Wir sprechen von einer Steuerbelastung bis 80 Prozent. Das heißt, dass diese Steuerbelastung anders verteilt werden muss. In der Spitze muss sie definitiv auf verträgliche Verhältnisse abgesenkt werden.
tagesschau24.de: Wie will er dies finanzieren?
Finanziert werden kann das sicherlich dadurch, indem der steuerfreie Betrag, der in Griechenland wahnsinnig hoch ist, minimal abgesenkt wird. Das hat Tsipras eigentlich bereits seinen Gläubigern versprochen und nun nicht durchgeführt. Zudem - und das ist vielleicht noch wichtiger - wird es darum gehen, dass die vielen Unternehmer, die in Griechenland in die Schwarzarbeit gedrängt worden sind, durch diese hohe Steuerbelastung wieder zu ehrlichen Steuerzahlern werden.
tagesschau24.de: Welche Reformen wären denn besonders wichtig für Griechenland?
Kritikos: Neben diesen Steuerreformen wäre dies alles, was man tun kann, um das Geschäftsklima in Griechenland zu verbessern. Auf der einen Seite sind es die staatlichen Investitionen in Institutionen. Zudem ist die Bürokratie überbordend. Man kann von einer Überregulierung sprechen. Auch das Justizsystem ist in Griechenland eine Katastrophe. Betroffene brauchen bis zu vier Jahre, um private Ansprüche durchzusetzen. All das muss verbessert werden, um für Investoren attraktiver zu werden. Griechenland hat sowohl gute Unternehmer und sehr gute Fachkräfte - nur die sind oft ins Ausland gegangen.
tagesschau24.de: Der Wahlsieger Mitsotakis entstammt einer alteingesessenen Politiker-Dynastie. Sein Vater war Ministerpräsident und seine Partei bestimmt seit Jahrzehnten die griechische Politik. Sie ist also auch entscheidend für die Situation mitverantwortlich. Ist denn Mitsotakis der Richtige für so einen wichtigen Reformprozess?
Kritikos: Er bringt einiges mit, damit man glauben kann, dass dieser Reformprozess angestoßen wird. Als er 2010 bei der Nea Dimokratia um das Parteiamt kandidierte, hat er tatsächlich mit dem Versprechen gewonnen, dass er die Strukturreformen, die in den zehn Jahren liegen geblieben sind, angehen will. Damit hat eigentlich damals niemand gerechnet. Insofern war das ein wesentliches Signal, dass er es ernst meint mit diesen Reformen. Die viel größere Herausforderung wird, ist zum einen, diejenigen in seiner eigenen Partei mitzunehmen, die noch nicht so richtig an diesen Reformprozess glauben. Und es wird ebenso wichtig sein, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Es muss ihm zudem gelingen, lokale Politiker und die Bevölkerung davon zu überzeugen. Er muss also die Menschen auch mitreißen und nicht nur technokratisch versuchen, Gesetze zu ändern.
tagesschau24.de: Die Politik in Griechenland ist ja auch mit Rettungsschirmen und mit Hilfspaketen der EU verknüpft. Wie wird denn die neue Regierung in Athen mit der EU zusammenarbeiten?
Kritikos: Die EU wird sicherlich erst mal kritisch darauf sehen, wenn sie hört, dass die geforderten Primärüberschüsse von 3,5 Prozent gerissen werden, wenn zum Beispiel Steuern gesenkt werden. Wenn Mitsotakis glaubhaft macht, dass er diesen Reformprozess ernsthaft angehen möchte kann die EU auch durchaus Unterstützung bieten.
Alexander Kritikos ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und Experte für Griechenland.
Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redigiert. Die Fragen stellte Tarek Youzbachi.