Verdächtiger im Mordfall Kuciak Ein Mann mit besten Beziehungen
Der slowakische Geschäftsmann Kocner steht im Verdacht, Auftraggeber des Kuciak-Mordes zu sein. Doch das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein - denn die Ermittlungen haben ein mächtiges Netzwerk offengelegt.
Auch in den USA ist Marian Kocner inzwischen kein Unbekannter mehr. Seit etwa einer Woche steht der slowakische Geschäftsmann auf der Sanktionsliste des US-Finanzministeriums. Was das heißt, erläuterte in Bratislava Griffin Rozell, der Sprecher der US-Botschaft: "Das bedeutet im Ergebnis, dass jegliches Eigentum von Herrn Kocner in den USA eingefroren wird. Amerikanischen Firmen und Privatpersonen ist untersagt, Geschäfte mit Herrn Kocner zu machen, und ihm ist verboten, in die Vereinigten Staaten einzureisen."
Seit März dieses Jahres sind sich die Ermittlungsbehörden sicher, dass Kocner den Auftrag für den Mord an dem Journalisten Jan Kuciak gegeben hat - weil der ihm mit seinen Recherchen zu nahe gekommen war. Der heutige Geschäftsmann und gelernte Journalist hat sich wie manch anderer mit Beziehungen, Insiderwissen und einer Mischung aus Schläue und Skrupellosigkeit in wenigen Jahren ein Firmenimperium zugelegt. Wann immer in der Slowakei Korruptionsskandale ans Tageslicht kamen, war fast immer der Name Kocner dabei. Geschadet hat es ihm nie.
"Es ist klar, dass er über Jahre alle möglichen Arten von Wirtschaftsstraftaten begangen hat", sagt Daniel Lipsic, heute Anwalt der Familie Kuciak und früherer Justiz- und Innenminister. "Steuervergehen, Betrug und so was. Und nichts geschah ihm, als ob er eine Immunität gegen Anklagen hätte."
Verbindungen in die Spitzen von Politik und Justiz
Denn Kocner hatte Verbindungen in die Spitzen von Politik und Justiz, zu Richtern und Staatsanwälten, zu hochrangigen Polizeioffizieren. Mit dem damaligen Generalstaatsanwalt Dobroslav Trnka war er sogar eng befreundet. "Kocner - und ich weiß das, weil ich in einigen Fällen der Verteidiger war - konnte erreichen, dass Leute, die in einem geschäftlichen Konflikt mit ihm standen, ohne jeden Grund angeklagt wurden", sagt Lipsic.
Warum und wie das funktionierte, das wissen die Ermittler inzwischen recht genau. Auf seinem Smartphone haben sie massenweise Chat-Protokolle gefunden, in seinem Haus Audios und Videos von Gesprächen. Kocner hat heimlich mitgeschnitten, um belastendes Material gegen seine Gesprächspartner zu sammeln, mit dem er sie unter Druck setzen konnte.
Richter und Staatsanwälte abgesetzt
Auf einem Mitschnitt ist zum Beispiel zu hören, wie Kocner Trnka beschimpft und ihm vorhält, Material aus einer Korruptionsaffäre zu Erpressungszwecken zu verwenden. Auf einem Video - ebenfalls im Internet zu besichtigen - lässt sich verfolgen, wie der Geschäftsmann im Arbeitszimmer des Generalstaatsanwalts eine Überwachungskamera installiert. Trnka ist inzwischen als Staatsanwalt abgesetzt, ebenso eine bereits zurückgetretene Justizstaatssekretärin, die über Jahre äußerst ausführlich mit Kocner chattete.
Mehr als ein Dutzend Richter und Staatsanwälte sind entweder abgesetzt oder suspendiert und müssen mit Disziplarverfahren rechnen. Lipsic, der ehemalige Justizminister, wundert sich, dass es bislang nur bei disziplinarischen und standesrechtlichen Maßnahmen geblieben ist. "Als ich einige der Chats gelesen habe, ist mir als erstes eingefallen: Warum sind die noch nicht strafrechtlich belangt worden? Dass es bei einer solchen Menge an Beweisen wie etwa gegen Trnka keine strafrechtlichen Ermittlungen gibt, das kommt mir etwas absurd vor."
Zu sicher gefühlt?
Letztlich ist Kocner über seine eigene Großmannssucht gestolpert. Er hat sich wohl zu sicher gefühlt. Andere machen solche Fehler nicht. Kocner sei nicht der Einzige, meint Daniel Lipsic. "Ich bin überzeugt, dass er nicht der Einflussreichste unter diesen Oligarchen ist, auch nicht in Bezug auf die Justiz. Da gibt es Einflussreichere. Ihre Handys, ihre Chats haben wir nicht. Aber diese Leute gibt es."
Und so ist womöglich das, was nach dem Mord an Kuciak und Martina Kusnirova ans Tageslicht gekommen ist, nur die Spitze des Eisbergs.