Ausbau der Infrastruktur Wie Chinas Einfluss auf Laos wächst
Wasserkraftwerke, Schnellzüge, Straßen - das arme Binnenland Laos kann den Ausbau seiner Infrastruktur durch China gut gebrauchen. Doch was haben die Menschen vor Ort davon?
Wo früher ein Dorf stand, ragt heute nur noch das Dach eines buddhistischen Tempels aus dem Wasser. Das Dorf Ladthahae am Fluss Nam Ou im Norden von Laos wurde für den Bau eines chinesischen Staudamms geflutet.
Laos will durch den Bau von Wasserkraftwerken Elektrizität erzeugen und zur "Batterie Südostasiens" werden. Bis 2030 sollen rund 100 Staudämme in Betrieb sein. Durch den Export von Strom möchte die kommunistische Einheitspartei die Wirtschaft stärken und die Armut verringern. Laos ist eines der ärmsten Länder Asiens mit niedriger Bildungsquote. Die Mehrheit der rund sieben Millionen Laoten arbeitet in der Landwirtschaft.
Laos ist der größte Schuldner Chinas
Am Haus eines Landwirts im Norden des Landes rattern im Minutentakt rote chinesische LKW vorbei. Nicht weit entfernt ertönt das Warnsignal eines Zugs. Es ist der erste Hochgeschwindigkeitszug des Landes. 70 Prozent der Baukosten hat China getragen, 30 Prozent Laos.
Für den Bau verschiedener Infrastrukturprojekte wie die Zugstrecke, Staudämme oder Straßen hat sich Laos hoch verschuldet. Der größte Kreditgeber und Investor ist China. Das führt zu einer steigenden Abhängigkeit des Landes vom großen Nachbarn. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Laos laut dem US-Forschungsinstitut AidData das am höchsten bei China verschuldete Land der Welt.
Laut der Weltbank sind die Schulden inzwischen sogar höher als Laos‘ jährliches BIP. Schuld daran ist auch die massive Abwertung der lokalen Währung Kip gegenüber dem US-Dollar. Die Inflationsrate liegt aktuell bei rund 40 Prozent, erzählt ein Banker, der gerade Mittagspause in einem Straßenrestaurant in Laos‘ Hauptstadt Vientiane macht. Die Preise für Treibstoff oder Lebensmittel hätten sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt.
Zugreise nur für Wohlhabende
Im neuen Schnellzug sitzen daher eher Chinesen, Touristen und wohlhabendere Laoten - oder Laoten, die lange auf ein Ticket gespart haben. Knapp 30 Euro kostet die Fahrt in der zweiten Klasse einmal quer durchs Land. Viel Geld bei einem durchschnittlichen Verdienst von umgerechnet 200 bis 250 Euro im Monat.
Das Logo der Laos-China-Railway erinnert ein wenig an das Logo der Deutschen Bahn. Die Sitze sind mit Bezügen geschützt. In der zweiten Klasse gibt es links drei Plätze, rechts zwei. Der neue Zug spare ihm viel Zeit, erzählt ein Fahrgast.
Der Zug endet im Norden von Laos in Boten, einer ehemaligen Casinostadt an der chinesischen Grenze. Vom Bahnhof führt eine Straße mit tiefen Schlaglöchern an einem LKW-Terminal und der Zollstation vorbei. Ein Stück weiter verwandelt sich die staubige Straße in eine neue, perfekt geteerte vierspurige Fahrbahn, an den Seiten stehen hohe weiße Straßenlaternen.
Die von China maßgeblich finanzierte Bahnstrecke durch Laos soll Waren nach Laos und später weiter nach Thailand und bis zum Hafen von Singapur transportieren. Hier der Bahnof in der laotischen Hauptstadt Vientiane.
Knotenpunkt von Chinas Neuer Seidenstraße
"Hier ist China, da Laos", sagt ein junger Laote lachend. Er arbeitet an der Grenze für ein Logistikunternehmen, hat in China studiert, spricht die Sprache. Obwohl Boten auf laotischem Staatsgebiet liegt, erinnert ihn hier vieles an China. Die Architektur, die Schriftzeichen an den Gebäuden, die Restaurants. Es wird sogar mit der chinesischen Währung gezahlt. Und China hat noch viel vor.
Im Erdgeschoss eines neu errichteten Bürogebäudes steht auf weißem Marmorboden das Modell einer zukünftigen, hochmodernen Großstadt. Eine Chinesin führt durch die Ausstellung, auf der Suche nach potenziellen Immobilienkäufern. Die Stadt wird vollständig von chinesischen Unternehmen geplant, gebaut und finanziert.
Die Frau, die durch die Ausstellung führt, erklärt, dass Boten durch die Investitionen ein wichtiger Knotenpunkt von Chinas Neuer Seidenstraße werde - einem Infrastrukturprojekt Chinas, dessen Straßen, Brücken, Zugstrecken bis nach Europa reichen. Die Ausstellung veranschaulicht das auf einer großen Weltkarte an der Wand. Rote Punkte führen von China bis nach Duisburg. Unter allen Infografiken: der neue Schnellzug.
Boten ist eine ehemalige Casinostadt an der chinesischen Grenze. Obwohl sie auf laotischem Staatsgebiet liegt, erinnert hier vieles an China.
"Keine absichtliche Schuldenfalle"
Für China ist die Bahnstrecke wichtig, um Waren nach Laos und später durch Laos hindurchzutransportieren. Die Strecke soll in Thailand weitergebaut werden und bis zum Hafen von Singapur führen. Für China ist die Route eine wichtige Alternative zur Schiffsroute durchs Südchinesische Meer oder die Straße von Malakka. Für Laos ist das Projekt interessant, da es seine Position als Logistikdrehscheibe stärkt - wichtig als einziges Land Südostasiens ohne Zugang zum Meer.
Laut Auswärtigem Amt habe China die Schuldentragfähigkeit einiger Länder nicht ausreichend berücksichtigt. Im vergangenen Jahr machte Laos Schlagzeilen, weil das Land kurz vor der Staatspleite stand. Dass China den kleinen Nachbarn Laos mit Absicht in eine Schuldenfalle getrieben habe, hält Jacob Gunter vom Mercator Institute for China Studies jedoch für unwahrscheinlich. Sie hätten Interesse an einem stabilen Nachbarn.
Anders als im Falle Sri Lankas werde China Laos auch nicht pleitegehen lassen. Diese Sicht teilt auch Marcus Hernig von der Deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing. "China braucht Laos als Transportkorridor. Da werden die Staatsbanken mit Sicherheit, so lange es geht, ihre Kreditzeiträume nach hinten verlagern."
Negative Auswirkungen vor Ort
Die Menschen am Fluss Nam Ou spüren aktuell vor allem die negativen Auswirkungen der durch China finanzierten Mega-Infrastrukturprojekte. Fünf Dörfer wurden für das Staudammprojekt umgesiedelt. Der chinesische Investor hat auf höheren Ebenen dicht nebeneinander neue Steinhäuser gebaut. "Alles sieht gleich aus, die Seele unseres Dorfes ist verloren gegangen", erzählt ein Bewohner.
Niemand möchte hier mit Namen zitiert werden. Eine alte Frau sitzt neben ihrer Tochter auf dem Boden, die Salat wäscht. Früher hätten sie einen großen Garten gehabt, wo sie Obst und Gemüse anbauen konnten. Sie hatten viel Platz für ihr Vieh. Jetzt hätten sie nur noch ein Haus.
In anderen Dörfern gibt es ähnliche Probleme. Der Schulbus käme nicht mehr, weil die Auffahrt zum neuen Dorf zu steil sei. Andere berichten, dass die Busfahrt zur Schule jetzt 5000 statt 2000 KIP pro Richtung koste, also umgerechnet 28 Cent pro Kind. Für einige Familien zu viel. Fast alle beklagen zu kleine Toilettentanks in der Erde. Ein Mann sitzt mit einer Stichsäge im dunklen Erdgeschoss seines neuen Hauses und zerschneidet Kacheln für die neue Toilette. Alles auf eigene Kosten.
An den Hauswänden, die von Chinesen gebaut wurden, zeigen sich bereits Risse, in manchen Häusern auch im Betonboden. Viele haben kein Geld, um Fliesen zu verlegen oder die Wände zu verputzen. Geschweige denn, sich ein Ticket für die neue Eisenbahn zu kaufen. Für viele bleiben die Infrastrukturprojekte wie der chinesische Zug etwas aus einer anderen Welt, das in Hochgeschwindigkeit an ihnen vorbeirauscht.