Kritik an Militärbündnis Macron nennt NATO "hirntot"
In einem Interview hat Frankreichs Präsident Macron ein düsteres Bild vom Zustand der NATO gezeichnet - und besonders die Türkei scharf kritisiert. Doch auch die Bundesregierung kommt nicht gut weg.
Es sind drastische Worte, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für seine Kritik verwendet. "Was wir gerade erleben, ist für mich der Hirntod der NATO", sagte Macron in einem Interview mit dem englischen Magazin "The Economist".
Frankreichs Präsident bezieht sich dabei vor allem auf die Geschehnisse in Syrien: Dort hätten zwei NATO-Mitglieder, die USA und die Türkei, zuletzt ohne jede Absprache mit ihren Partnern gehandelt, obwohl deren Interessen auf dem Spiel stehen würden. Die Türkei zeige ein "unkoordiniertes, aggressives" Vorgehen.
Auch zur Rolle der USA in der NATO äußerte sich Macron. "Wir finden uns das erste Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Idee des europäischen Projekts nicht teilt", sagte Macron weiter.
Macron fordert stärkeres Europa
Als Konsequenz forderte Macron die Europäer auf, sich gemeinsam militärisch unabhängig von anderen Partnern zu machen.
Auch auf anderen Ebenen müsse Europa sich stärker als einheitliche politische Kraft verstehen. Andernfalls bestehe das Risiko, dass Europa geopolitisch verschwinde und nicht mehr Herr des eigenen Schicksals sei. Dafür forderte Macron unter anderem eine Abkehr von europäischen Finanzregeln.
Die Schuldengrenze von drei Prozent der nationalen Haushalte sei eine Debatte aus einem anderen Jahrhundert, so Macron wörtlich. Wenn man sich etwa anschaue, welche Mengen China oder die USA in künstliche Intelligenz investierten, spiele Europa nicht in der gleichen Liga.
Kritik an Deutschland
Dabei zielte Macron auch auf Deutschland, dessen Rolle in der Eurozone er als "nicht haltbar" bezeichnet. "Sie sind die großen Gewinner der Eurozone und selbst ihrer Funktionsstörungen", sagte er dem Magazin. "Der deutsche Apparat muss heute anerkennen, dass diese Situation nicht haltbar ist", betonte Macron. Als "Tabu" für die Deutschen bezeichnete er "die Frage der Haushaltsanreize".
Frankreich hatte die Bundesregierung angesichts der Haushaltsüberschüsse mehrfach zu Investitionen und zu einer Abkehr von der "schwarzen Null" aufgerufen. Bisher lehnt Berlin einen Kurswechsel aber ab.
Stoltenberg drängt auf höhere Militärausgaben
Mit Blick auf die Militärausgaben warb auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg für ein größeres Engagement der Bundesregierung. "Ich erwarte, dass alle Bündnispartner ihren Verpflichtungen gerecht werden", sagte er bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin. "Und wir haben uns verpflichtet, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen."
"Für die eigene Sicherheit" - Stoltenberg fordert höhere Militärausgaben.
Stoltenberg betonte aber, Deutschland und die anderen Verbündeten "sollten nicht in die Verteidigung investieren, um mir oder den Vereinigten Staaten einen Gefallen zu tun. Nein, sie sollten die Verteidigungsausgaben erhöhen, weil es im Interesse Deutschlands liegt, für die eigene Sicherheit." Er würdigte zugleich Deutschlands führende Rolle in der NATO.
In einer Grundsatzrede an der Universität der Bundeswehr in München machte sich auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für ein stärkeres militärisches Engagement Deutschlands stark. Es sei an der Zeit, dass Deutschland seine Interessen kraftvoller wahrnehme und gemeinsam mit den Partnern mehr Verantwortung übernehme.
Mit Informationen von Marcel Wagner, ARD-Studio Paris