Nach einem Jahr Funkstille Serbien und Brüssel wieder am Verhandlungstisch
Ein seltener Gast in Brüssel: Mit dem Vize-Premierminister Bozidar Djelic war zum ersten Mal seit über einem Jahr ein serbischer Vertreter zu Besuch bei der Europäischen Union. Serbien sucht die "engere Zusammenarbeit", die EU eine Lösung der Kosovo-Frage.
Von Michael Becker, Brüssel, MDR, Hörfunkstudio Brüssel
Es sei gut, wieder hier in Brüssel zu sein, meinte Bozidar Djelic, Serbiens stellvertretender Premierminister und Chefunterhändler für die Verhandlungen mit der EU. Dreizehn Monate lang hatte Funkstille geherrscht - die EU hatte die Verhandlungen mit Serbien über eine engere Zusammenarbeit eingefroren.
Neuer Wille zur Kooperation
Der Grund: Serbien hatte keinerlei Neigung gezeigt, mutmaßliche Kriegsverbrecher aus der Zeit der Balkankriege an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auszuliefern - allen voran den ehemaligen bosnischen Serbengeneral Ratko Mladic. Mladic ist zwar noch immer nicht ausgeliefert worden, dafür hatte die neue serbische Regierung aber vor zwei Wochen einen anderen Kriegsverbrecher auf den Weg nach Den Haag geschickt - den ehemaligen bosnischen Serbengeneral Zdravko Tolimir.
„Unsere neue Regierung hat unter Beweis gestellt, dass sie uneingeschränkt mit dem Tribunal zusammenarbeiten will“, sagte Vizepremier Djelic. „Und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten: mit der Festnahme eines wichtigen Verdächtigen.“ Der EU reichte das aus, um die Verhandlungen mit Serbien über ein Assoziierungsabkommen wieder aufzunehmen - auch wenn Erweiterungskommissar Oli Rehn ganz klar sagte, dass die Verhandlungen erst abgeschlossen werden können, wenn Serbien soweit kooperiert, dass es auch zur Verhaftung von Ratko Mladic kommt.
Kosovo: Brüssel lockt, Serbien blockt
Das Assoziierungsabkommen, über das jetzt wieder verhandelt wird, bringt Serbien wichtige Handels und Visa-Erleichterungen mit der EU. „Das Assoziierungsabkommen ist das Tor für den nächsten Schritt Richtung EU“, meinte EU-Erweiterungskommissar Rehn - gemeint ist die EU-Mitgliedschaft. Brüssel lockt offensiv mit dieser Perspektive - und das aus gutem Grund: Die Lösung der Kosovo-Frage steht an, und nicht zuletzt von Serbien wird abhängen, ob diese Frage friedlich gelöst werden kann.
„Die EU muss akzeptieren, dass das Kosovo ein untrennbarer Bestandteil Serbiens ist“, betonte Vizepremier Djelic bei seinem Besuch in Brüssel. Die EU dagegen unterstützt den Vorschlag des UN-Kosovo-Vermittlers Martti Ahtisaari, der das Kosovo in die Unabhängigkeit entlassen will - und zwar unter Aufsicht der EU. Mit einer EU-Beitrittsperspektive hofft Brüssel Serbien aus der Fundamental-Opposition locken zu können. Zur Zeit liegt der Ball im UN-Sicherheitsrat - dort soll entschieden werden, was aus dem Kosovo wird. „Meiner Ansicht nach haben wir noch eine gute Chance, eine Einigung im UN-Sicherheitsrat zu finden“, sagte Erweiterungskommissar Rehn.
In Brüssel fürchtet man nichts mehr als ein Scheitern der Verhandlungen im Sicherheitsrat: Die Quittung könnte neue Gewalt im Kosovo sein.