Interview zum Atomstreit "Iran will Handlungsfähigkeit beweisen"
Urananreicherung im industriellen Maßstab - dazu ist Iran nach eigenen Angaben in der Lage. 3000 Zentrifugen sollen in der Anlage Natans errichtet worden sein, 50.000 sollen folgen. Was bezweckt das Land mit dieser Ankündigung? Darüber sprach tagesschau.de mit ARD-Korrespondent Peter Mezger.
Urananreicherung im industriellen Maßstab - dazu ist Iran nach eigenen Angaben in der Lage. 3000 Zentrifugen sollen in der Anlage Natans errichtet worden sein, zehntausende sollen folgen. Was bezweckt das Land mit dieser Ankündigung? tagesschau.de sprach darüber mit ARD-Korrespondent Peter Mezger in Teheran.
tagesschau.de: Sind die Angaben Irans über die Zahl der Zentrifugen glaubwürdig?
Peter Mezger: Ich halte die Angaben für glaubwürdig, weil Iran ja der IAEO die Erlaubnis gegeben hat, Natans zu besuchen und zu überprüfen, dass dort 3000 funktionsfähige Zentrifugen installiert worden sind.
tagesschau.de: 3000 Zentrifugen sind eine beträchtliche Zahl. Wo kommen sie her?
Mezger: Das ist ein langer Prozess. Es ist zwar inzwischen schwierig, an das Material zu kommen, aber Teheran versucht ja schon seit mindestens vier Jahren, bei der Urananreicherung selbständig zu werden. Es ist illegal Material aus Deutschland geliefert worden, es ist Material aus dem ehemaligen Ostblock gekommen, angeblich auch aus Pakistan.
tagesschau.de: Die Regierung will ja bis zu 50.000 Zentrifugen installieren. Ist das realistisch?
Mezger: Das wird schwierig. Zwar hat das Land viele sehr gut ausgebildete Atomwissenschaftler, aber seit Inkrafttreten der UN-Sanktionen Ende 2006 darf kein Land der Welt Material in Iran liefern, dass für die Atomtechnik benutzt werden könnte. Deswegen dürfte sich die Regierung schwer tun, das erforderliche Material zusammen zu bekommen.
"Iran will Unabhängigkeit beweisen"
tagesschau.de: Warum gibt Iran die Zahl der Zentrifugen gerade jetzt bekannt?
Mezger: Der Zeitpunkt war geschickt gewählt. Es gab Gerüchte, dass Iran wegen der UN-Sanktionen Probleme mit der Uran-Anreicherung hat. Da wollte man demonstrieren, dass man trotz der Handelsverbote in der Lage ist, tausende Zentrifugen zu errichten. Man wollte zeigen, dass man jetzt unabhängig ist von Importen und bei der Anreicherung nicht mehr auf Hilfe aus dem Ausland, etwa aus Russland, angewiesen ist.
tagesschau.de: Will die Regierung auch ihre Verhandlungsposition verbessern?
Mezger: Zweifellos. Teheran hat jetzt eine andere, stärkere Position. Es kann jetzt nicht mehr darum gehen, ob die Urananreicherung eingestellt wird – dazu war die Regierung ohnehin nicht bereit. Es kann jetzt nur noch darum gehen, die Welt davon zu überzeugen, dass die Anreicherung nur für friedliche Zwecke genutzt wird. Mehr kann in Verhandlungen kaum erreicht werden. Man muss die Regierung dazu bringen, nachzuweisen, wieviel Material angereichert wird, wo es landet und was mit dem verbrauchten Material passiert. Das muss genau registriert werden, damit die Welt sicher sein kann, dass das angereicherte Uran nicht für militärische Zwecke missbraucht wird. Aber es wird schwieriger, das zu überprüfen. Als Iran noch Uran importieren musste, wusste man genau, wie viel Material ins Land kam und was damit geschah.
tagesschau.de: Was muss man Iran dafür bieten?
Mezger: Man muss Iran klar sagen: Wenn ihr nicht bereit seid, die friedliche Nutzung kontrollieren zu lassen, werden die Sanktionen verschärft. Auf der anderen Seite muss man Teheran Hilfe im Umgang mit der Atomtechnologie anbieten. Diejenigen Länder, die hier Erfahrung haben, müssen bereit sein, ihr Wissen zu teilen, damit keine Unfälle passieren. Man muss Teheran verdeutlichen, dass das gut für das Land und für die ganze Welt ist. Das ist nach meiner Meinung das einzige Angebot, dass die Regierung annehmen kann.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de