Merkel eröffnet EU-Gipfel in Brüssel Appelle und Veto-Drohungen
Kanzlerin Merkel hat zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel noch einmal eindringlich an alle Teilnehmer appelliert, einer Reform der Gemeinschaft nicht im Wege zu stehen. Die Kritiker allerdings zeigen sich recht unbeeindruckt. Unmittelbar vor Gipfelbeginn drohte nun auch London mit einem Veto.
Kanzlerin Angela Merkel hat in Brüssel den EU-Gipfel eröffnet. Unmittelbar vor Beginn desTreffens appellierte sie noch einmal eindringlich an alle Teilnehmer, einer umfassenden Reform der EU nicht im Wege zu stehen. "Faire Übereinkommen" auf dem Gipfel seien dringend notwendig, "weil die EU handlungsfähig sein muss, um die vielen Probleme, die wir auf der Welt haben, gemeinsam lösen zu können", sagte Merkel.
Auch Blair droht mit Veto
Unterdessen verhärteten sich die Fronten weiter: Nach Polen drohte nun auch Großbritannien mit einem Veto gegen die von der deutschen Ratspräsidentschaft gewünschten Reformvorhaben. Premierminister Tony Blair werde den Verhandlungstisch verlassen, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden, erklärte sein Sprecher. London lehnt unter anderem die Grundrechtecharta ab, die Merkel durch den neuen Vertrag für rechtsverbindlich erklären will. Außerdem will London die Kompetenzen eines künftigen EU-Außenministers beschränken. Deshalb droht Spanien damit, die Einführung eines EU-Präsidenten zu blockieren.
Polen wiederum droht mit einem Veto, falls die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nicht auf die Forderung nach Änderung des Abstimmungsverfahrens eingeht. Polen will selbst mehr Gewicht zu Lasten großer Staaten wie Deutschland.
Hektische Kompromisssuche
Angesichts anhaltender Kritik suchte Merkel noch kurz vor Beginn des Treffens fieberhaft nach Möglichkeiten, den EU-Gipfel zu retten. Die Kanzlerin beriet sich zunächst mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über den Stand der Verhandlungen. In einer Serie von Telefonaten mit Staats- und Regierungschefs hatte die Kanzlerin zuvor noch von Berlin aus letzte Kompromisslinien zur Lösung der EU-Verfassungskrise ausgelotet.
Merkel strebt auf dem letzten Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft eine Einigung auf Grundzüge eines neuen EU-Vertrags an, der den gescheiterten EU-Verfassungsentwurf ersetzen soll. Sie sieht sich aber zahlreichen Änderungswünschen zu Lasten der Gemeinschaft ausgesetzt.
Viele Interviews, viele Absichten
Barroso warnte in einem TV-Interview die polnische Regierung vor einem Veto. "Polen hat eine Menge zu verlieren, wenn es so dasteht, als würde es eine Einigung verhindern", sagte er. Polens Regierungschef Jaroslaw Kaczynski sprach in einem Interview mit der Zeitung "Rzeczpospolita" zwar von Fortschritten vor Beginn des Gipfels. Zugleich drohte er aber erneut mit Konsequenzen, wenn Polens Forderungen nicht berücksichtigt werden.
Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker wiederum betonte, er werde einer Übereinkunft die Zustimmung verweigern, die den Geist der gescheiterten EU-Verfassung verwässere. Diese war von der Luxemburgischen Bevölkerung in einem Referendum angenommen worden. Ohne Einigung über einen neuen EU-Vertrag gebe es auch keinen Spielraum für eine weitere Erweiterung der Union.