Direktzahlungen könnten bald fließen EU will Fatah-Regierung helfen
Die Europäische Union will Palästinenser-Präsident Abbas und seine Fatah im Kampf gegen die rivalisierende Hamas unterstützen. Dafür ist die EU sogar bereit, die Finanzhilfen an die Palästinenser wieder aufzunehmen - und zwar an die Notstandsregierung. Auch die USA kündigten ein Ende ihres Finanzboykotts an.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Europäische Union hat die Hoffnung aufgegeben, dass eine Regierung der Nationalen Einheit in den Palästinensergebieten für Stabilität sorgen könnte, dass es also eine Regierung geben kann, die von den rivalisierenden Gruppen Hamas und Fatah gemeinsam gebildet wird.
Doch nach der faktischen Spaltung der Palästinensergebiete, nachdem die Hamas die Kontrolle über den Gaza-Streifen übernommen hat, setzt die EU ganz auf den amtierenden palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas und auf die gerade von ihm eingesetzte Notstandsregierung. Gerade der Chef dieser Notstandsformation, der unabhängige Finanzexperte Salam Fajad, genießt bei den Europäern hohe Wertschätzung. Um ihn und seine Regierung zu unterstützen, denkt die EU auch wieder über direkte Finanzhilfen nach.
Diese waren im April 2006 ausgesetzt worden, nachdem die Hamas das Regierungsruder übernommen hatte. Für die EU ist die Hamas eine Terror-Organisation. Um die Zivilbevölkerung nicht allein zu lassen, steuerten die Europäer Millionen auf anderen Kanälen nach Palästina. "Tim" wird dieses Instrument genannt, über das an der Regierung vorbei Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen, auch bedürftige Menschen direkt unterstützt werden.
EU setzt auf den neuen Regierungschef
"Tim" wird weiter in Kraft bleiben, aber - so EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner - ein Teil dieser Mittel könnte auch wieder als direkte Unterstützung an Regierungschef Fajad fließen: "Ich würde mich gerne mit ihm treffen, um zu sehen, entweder welche Teile der jetzt über den 'Tim' laufenden Gelder oder - wenn es möglich ist - ob alle Gelder direkt über ihn laufen können, wenn die richtigen Voraussetzungen von seiner Seite getroffen sind."
Die EU erwartet aber zunächst, dass die Notstandsregierung funktionsfähige und transparente Finanzstrukturen aufbaut, damit EU-Geld nicht zweckentfremdet wird. Bei diesem Aufbau will Brüssel die Palästinenser unterstützen. Offen blieb, was dies für den Gaza-Streifen und die dortige Bevölkerung bedeutet. Denn Abbas und Fajad haben lediglich Kontrolle über das Westjordanland.
Auch Israel will Fajad unterstützen
Die israelische Außenministerin Zipi Livni nahm - schon lange geplant - an den Außenminister-Beratungen teil. Nach ihren Worten bietet sich mit der neuen Regierung unter Fajad auch eine neue Chance zum Dialog: "Wir wollen mit denen zusammenarbeiten, die auch das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung haben und das Existenzrecht Israels anerkennen. Mit einer solchen Regierung werden wir zusammenarbeiten und auch Gelder freigeben", so Livni.
Es geht um eine Summe von rund 850 Millionen Dollar an Steuern und Zöllen, die den Palästinensern zusteht, von Israel aber bislang zurückgehalten wurde. Die EU-Außenminister haben ihre israelische Amtskollegin ermuntert, hier Entgegenkommen zu zeigen.
Offen bleibt: Was wird aus dem Gaza-Streifen?
Bei allen Zeichen, die die Europäer in Luxemburg zugunsten der neuen Palästinenser-Regierung setzen wollten: das Schicksal des Gaza-Streifens musste man zunächst einmal ausblenden. Es gibt keinen akzeptierten politischen Gesprächspartner im Lager der Hamas. Und angesichts der Eskalation dort sind auch Hilfsorganisationen immer weniger bereit, vor Ort humanitär zu wirken. Vor dieser Situation stehen die Europäer derzeit ratlos. Schon lange herrscht die Sorge vor, dass der Einfluss des Iran dort zu stark werden könnte. Und die Drohungen, einen islamischen Gottesstaat im Gaza einzurichten, langsam Wirklichkeit werden.