Nordkorea Karaoke in Pjöngjang
Berichterstattung aus Nordkorea stellt die Reporter in der Regel vor größere Probleme. Meist stellt die kommunistische Führer den Korrespondenten Aufpasser an die Seite, die mit Argusaugen über deren Arbeit wachen. Auch das ARD-Team hatte einen solchen Bewacher bei sich. Um so erstaunlicher, was es in der Hauptstadt Pjöngjang erlebte.
Von Mario Schmidt, ARD-Korrespondent, Studio Tokio
In Pjöngjang bricht der Abend an. Während sich andere asiatische Metropolen jetzt in riesige Glitzerwelten verwandeln, verschwindet die nordkoreanische Hauptstadt allmählich in der Dunkelheit. Es ist 19 Uhr. In der Stadt gibt es nur vereinzelte Lichtblicke, die meisten von den Ständen der Straßenhändler. Sie sind erste sichtbare Anzeichen für Wirtschaftsreformen, denn früher waren diese kleinen Buden verboten. Jetzt darf auf den Straßen immer mehr Handel betrieben werden.
Licht ist nur für den Staatsgründer da
Selbst im Zentrum Pjöngjangs gibt kaum Straßenlampen. Menschen erscheinen nur kurz in den Lichtkegeln der wenigen Autos. Energie ist nur da für die Machtsymbole des Regimes. Erleuchtet natürlich: der große Führer, Staatsgründer Kim il-Sung.
Wir sollen niemanden ansprechen, haben uns unsere Aufpasser vorher eingeimpft. Die Menschen hätten Angst vor uns. Wir machen es trotzdem: Am Brunnen der Tänzerinnen treffen wir auf furchtlose fleißige Studentinnen. Ob sich Nordkorea denn wie China verändern soll, wollen wir wissen. Nein, sagt Studentin Ranchi, Nordkorea gehe einen eigenen Weg. Und was denkt sie über die USA? "Die hassen wir", ist die Antwort. "Das sind unsere Feinde, die verhindern schließlich die Wiedervereinigung mit Südkorea." Und wo gehen sie nachher hin? Nach Hause, antwortet ihr Freund Unjon, wohin denn sonst?
Lieder auf das Vaterland
Rappelvolle Busse bringen die Menschen in ihre Hochhäuser. Vor drei Jahren hatten sie selbst dort nachts nur selten Strom. Das ist viel besser geworden.
Die Suche nach Nachtleben führt uns in die "Taedonggang Bierverkaufsstelle" - eine Kneipe mit Karaoke. Nordkoreaner lieben Karaoke. Die Lieder sind meistens patriotisch, ein Gast besingt die Schönheit seines Vaterlandes. Die Zahl der Gaststätten wächst, wenn auch nur langsam. Die "Bierverkaufsstelle" gehört einer neuen Brauerei. Chefin Kang Ponk Suk berichtet, dass sie neuerdings bei höherem Umsatz auch mehr Geld verdiene. Deshalb versuche sie, den Service und das Angebot zu verbessern. Überraschende Anzeichen von Marktwirtschaft in der kommunistischen Gastwirtschaft.
Der Bierpreis hat sich in einem halben Jahr verdoppelt. Die meisten Nordkoreaner können sich einen Besuch hier daher nicht leisten. Gegen 23.00 Uhr gibt es dann auch kein Karaoke mehr. Ein letzter Blick auf die Stadt. Gute Nacht, finsteres Pjöngjang.