Streit um Abstimmungsmodus in der EU Polen bleibt stur
In Polen geben sich die Staats- und Regierungschefs zurzeit die Klinke in die Hand. Nach dem französischen Präsidenten wollte Spaniens Ministerpräsident Zapatero die polnische Regierung von ihrer Blockadehaltung beim EU-Verfassungsprozess abzubringen. Heute nun versucht Kanzlerin Merkel ihr Glück.
Polens Regierung zeigt sich im Streit um die künftige Stimmengewichtung innerhalb der Europäischen Union wenig kompromissbereit. Präsident Lech Kaczynski bekräftigte im westpolnischen Gniezno, der polnische Standpunkt sei unverändert. "Ich sehe keinen Grund, warum Polen die größten Verluste ertragen sollte." Diese Position werde er auch im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vertreten, die er am am Nachmittag auf Schloss Meseberg bei Berlin traf. Polen sieht sich durch das in der EU-Verfassung vorgesehene Abstimmungsprinzip benachteiligt und fordert eine stärkere Gewichtung gegenüber Deutschland.
Beim EU-Gipfel kommende Woche, zum Abschluss der deutschen EU-Präsidentschaft, will Merkel eine Einigung auf einen Fahrplan und die Grundzüge eines Änderungsvertrags zur gescheiterten Verfassung erreichen. Das Abstimmungsverfahren im Ministerrat ist eine der zentralen Reformbestimmungen im Verfassungsentwurf, die die Entscheidungsfindung in der EU effizienter und demokratischer machen soll.
Mit der EU-Verfasssung sollte ein neues Abstimmungsverfahren im EU-Ministerrat, der Vertretung der Mitgliedsstaaten, eingeführt werden. Für Beschlüsse sollte eine "doppelte Mehrheit" nötig sein: die Stimmen von mindestens 55 Prozent der Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertraten. So sollte ein Ausgleich zwischen den bevölkerungsreichen Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien und den kleinen wie Dänemark, Irland oder Malta geschaffen werden. Das mittelgroße Polen hatte zwar dem Verfassungsentwurf zugestimmt, sieht sich aber inzwischen benachteiligt. Polen verlangt nun eine "Quadratwurzel"-Regelung, bei der sein Stimmgewicht gegenüber den großen Ländern deutlich stiege.
Vergebliche Überzeugungsbesuche in Warschau
Auch Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski machte nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero in Warschau klar, dass er an der Forderung festhalte, wonach Polens Stimme mehr Gewicht erhalten müsse. Zapatero entgegnete: "Wir haben einen Vertrag, der sicher nicht ideal ist, aber es ist ein Vertrag, der es uns erlauben wird, uns weiter zu entwickeln." Zapatero war nach dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy der zweite EU-Staats- und Regierungschef, der binnen zwei Tagen in Warschau vorsprach.
Der EU-Verfassungsentwurf sieht für einen Beschluss eine doppelte Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die zugleich mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren, vor. Warschau würde bei dieser Lösung an Einfluss verlieren und hat deshalb vorgeschlagen, die Stimmrechte aus der Quadratwurzel der Bevölkerungszahl eines jeden Staates zu berechnen. Polen mit seinen knapp 40 Millionen Einwohnern käme nach dieser Formel auf sechs Stimmen, Deutschland mit seiner doppelt so großen Bevölkerung auf acht.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte dazu der "Frankfurter Rundschau", Polen sei in dieser Frage isoliert. "Niemand außer Polen" wolle "das vereinbarte Paket zur Stimmengewichtung noch einmal aufschnüren". Er halte es für "wenig wahrscheinlich", dass Warschau sich durchsetzen werde.
Barroso: Polnisches Verhalten nicht hilfreich
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Polen nannte das polnische Verhalten in der "Süddeutschen Zeitung" nicht hilfreich. "Bitte setzt Europa nicht aufs Spiel", mahnte er. Schließlich habe Polen die Verfassung 2004 mitunterzeichnet. "Wir können nicht jedes Mal von vorne diskutieren, nur weil es in einem europäischen Land eine neue Regierung gibt", sagte Barroso.