Nach Regierungsbildung in letzter Minute EU stellt Serbien neue Gespräche in Aussicht
In letzter Minute hatten die Abgeordneten im serbischen Parlament gestern die neue serbische Regierung bestätigt - nur wenig später wären Neuwahlen fällig gewesen. Um der Regierung Kostunica den Rücken zu stärken, reiste EU-Kommissar Rehn heute nach Belgrad. Er stellte neue Gespräche in Aussicht.
Einen Tag nach der Bestätigung der neuen serbischen Regierung hat die EU die zügige Wiederaufnahme der ausgesetzten Annäherungsgespräche in Aussicht gestellt. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn gratulierte den Kabinettsmitgliedern persönlich in Belgrad.
Rehn bezeichnete es als Schritt in die richtige Richtung, dass Serbien sich zur Festnahme von Kriegsverbrechern verpflichtet habe. Von Ministerpräsident Vojislav Kostunica erwarte die EU nun die rigorose Umsetzung seiner Zusage, mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenzuarbeiten. "Wenn das geschehen ist, können wir den Prozess über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen sehr bald wieder aufnehmen", sagte Rehn.
Zusammenhang mit Haager Tribunal wird zum Knackpunkt
Die EU hatte die Verhandlungen im Mai 2006 auf Eis gesetzt, weil die serbische Regierung ihrer Ansicht nach nicht ausreichend mit dem Haager UN-Tribunal kooperierte. Die EU kritisiert vor allem, dass der wegen Kriegsverbrechen gesuchte frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic immer noch nicht festgenommen und ausgeliefert wurde. Sie wirft Hardlinern in der serbischen Armee und der Polizei vor, Mladic heimlich zu unterstützen.
Auch für viele ultranationalistische Abgeordnete ist Mladic nach wie vor ein Held. Sie hatten daher bis zuletzt versucht, die Bestätigung der Regierung Kostunicas zu verhindern. Die Entscheidung fiel dann fast in letzter Minute: Eine halbe Stunde vor Mitternacht stimmten 133 Abgeordnete im 250 Sitze umfassenden Parlament für das Kabinett Kostunicas. Wäre die Entscheidung erst nach Mitternacht gefallen, hätte es laut Verfassung Neuwahlen geben müssen.
Monatelanger Machtkampf um die neue Regierung
Der Entscheidung im Parlament war ein fast vier Monate langes Ringen zwischen Kostunica und der Partei des pro-westlichen Präsidenten Boris Tadic um die neue Regierung vorausgegangen. Am vergangenen Freitag gelang dann - nicht zuletzt auch auf Druck der EU und der USA hin - die Einigung auf eine moderate Koalition. Bei der Parlamentswahl im Januar hatten allerdings die Ultranationalisten die meisten Stimmen erhalten. Der auch auf Dringen der EU am Wochenende zurückgetretene ultranationalistische Parlamentspräsident Tomislaw Nikolic bezeichnete das neue Kabinett als Marionettenregierung.
Sollte es zu einer Wiederaufnahme der Annäherungsgespräche kommen, dürfte dies der neuen Regierung erheblichen Rückenwind verleihen und ihre Position gegenüber den ultranationalistischen Kräften im Land stärken. Derzeit ist eine Aufnahme Serbiens in die EU zwischen 2012 und 2015 angepeilt.
Noch viele Probleme zu lösen
Problemfelder gibt es noch genug. So sprach sich Kostunica zwar für eine Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal aus. Er hat jedoch niemals explizit die Festnahme von Mladic in Aussicht gestellt. Zugeständnisse bei der von der Provinz Kosovo angestrebten Unabhängigkeit lehnte er zudem nachdrücklich ab. Der UN-Sicherheitsrat berät derzeit über die Zukunft der südserbischen Provinz, deren albanische Bevölkerungsmehrheit die Unabhängigkeit verlangt. Serbien lehnt dies ab, auch die "überwachte Souveränität", die UN-Vermittler Martti Ahtisaari vorgeschlagen hat.