US-Außenpolitik nach den Anschlägen Mission bestimmt Koalition
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die USA die Terror-Bekämpfung zu einem wichtigen Gradmesser in den internationalen Beziehungen erklärt. Welche Auswirkungen hat diese neuen Prioritätensetzung?
Neun Tage nach den Terroranschlägen des 11. Septembers trat US-Präsident George W. Bush vor den US-Kongress und erklärte dem globalen Terrorismus den Krieg. Die Terrornetzwerke dieser Welt sollten mit "allen zur Verfügung stehenden Mitteln" bekämpft werden. Zu Feinden der USA wurden die Staaten erklärt, die Terroristen Unterschlupf gewähren. Eine erste Folge dieser Politik: Im Herbst 2001 brachten die USA mit Unterstützung der Nordallianz das Taliban-Regime in Afghanistan zu Fall.
Im Januar 2002 definierte dann Bush in seiner Rede zur Lage der Nation eine "Achse des Bösen" - bestehend aus Iran, Irak und Nordkorea. Er brandmarkte sie als Länder, die über Massenvernichtungswaffen verfügen oder den Besitz anstreben und diese Waffen direkt oder indirekt mit terroristischer Hilfe gegen Amerika richten könnten.
Außenpolitik entlang nationaler Interessen
Ist Bekämpfung des Terrorismus nun das übergeordnete Organisationsprinzip der neuen amerikanischen Außenpolitik? Pat Roberts, republikanischer Abgeordneter und Mitglied im Streitkräfteausschuss des US-Senats erklärt: "Ja, gegenwärtig ist dies unser nationales Interesse. Und die Frage, von wo uns die größte Gefahr droht, hat Priorität."
Umrisse seiner neuen außenpolitischen Doktrin stellte Bush Anfang Juni vor der Militärakademie in West Point vor: US-Truppen könnten demnach sowohl mit konventionellen als auch mit nuklearen Mitteln präventiv gegen Staaten vorgehen, die aus Sicht Washingtons eine Bedrohung darstellen - wegen nuklearer, biologischer oder chemischer Waffen. Direkte Interventionen bis hin zu einzelnen Kommandoaktionen und zivilen Druckmitteln sollen zu einer Strategie gebündelt werden.
Multilateralismus - ja, aber...
Obwohl Bush außerhalb der USA oft als Unilateralist gesehen wird, hat er seit dem 11. September eine internationale Allianz gegen den Terror geschmiedet. Allein neun Nationen davon haben sich an der Militäraktion in Afghanistan beteiligt. Doch diese Koalition muss nicht ewig halten. Im Pentagon geht man davon aus, dass die jeweilige Mission die Zusammensetzung der Anti-Terror-Koalition bestimmt, und nicht
umgekehrt. Senator Roberts erläutert: "Ich glaube, das sich unsere Allianzen und Koalitionen nach unseren nationalen Interessen richten müssen."
Gegenwärtig scheint man in Washington im Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein die größte Gefahr zu sehen. Gleichzeitig weiß man, dass man bei den europäischen und arabischen Verbündeten nur sehr begrenzt auf militärische Unterstützung bei einer Irak-Invasion Irak zählen kann. Wichtiger aber als der militärische Beitrag zu einem solchen Präventivkrieg wäre jedoch die Unterstützung bei einem späteren Wiederaufbau des Iraks. Denn am "nation-building", dem Aufbau von Sicherheits- und zivilen Strukturen in einem zerstörten Land, will sich die Bush-Regierung nur in Ausnahmefällen beteiligen.
Anthony Cordesman, Militärexperte am Zentrum für Strategische Studien in Washington, führt das auch auf das Militärpotential Europas zurück: "Offen gesagt: Die militärische Rolle, die europäische Länder spielen, ist symbolischer Art. Wo wir um Hilfe bitten könnten und sie auch am meisten brauchen, ist die Phase nach dem Krieg, wenn das Land wieder aufgebaut werden muss."
Schlüsselland Saudi-Arabien
Im arabischen Lager bemüht sich die Bush-Regierung bislang vergeblich um die notwendige Unterstützung für einen Angriff auf den Irak. Dies mag auch mit dem Nahost-Konflikt zusammenhängen: Zwar hat sich Bush theoretisch hinter einen unabhängigen Palästinenser-Staat gestellt. Bedingungen dafür sind aber die Abwahl von Jassir Arafat und Reformen in der palästinensischen Autonomiebehörde. Mit dieser Position sind die USA nicht nur international isoliert. Die Haltung erschwert auch die strategischen Vorbereitungen für einen eventuellen Krieg gegen den Irak. Militärexperte Anthony Cordesman erklärt, dass Saudi-Arabien für einen solchen Krieg wahrscheinlich weder Streitkräfte noch Stützpunkte zur Verfügung stellen würde. Zwar sei der Irak heute nicht mehr so stark wie noch vor dem Golfkrieg. Trotzdem brauche man die Stützpunkte in Bahrain, Katar und Kuwait. Wenn Saudi-Arabien nicht mitmache, brauche man auch die Unterstützung des Oman und der Vereinigten Arabischen Emirate, um sich Zugang zum Persischen Golf zu verschaffen.
Instrument UNO
Bevor es soweit ist, wird man wohl versuchen, das Regime in Bagdad diplomatisch in die Knie zu zwingen - mit Hilfe der Vereinten Nationen und einem neuen Mandat für die UN-Waffeninspekteure, die 1998 den Irak verlassen mussten. Auch hier gilt das amerikanische Unilateralismus-Prinzip: Die UNO ist nur dann ein nützliches Instrument, wenn sie amerikanischen Interessen dient. Beim Internationalen Strafgerichtshof war das nicht der Fall. Beim Versuch, gegen den Irak vorzugehen, vielleicht schon. Doch dazu braucht man auch die Unterstützung Russlands. Bush bot dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine strategische Partnerschaft und eine noch engere institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Russland und der NATO an - auch dabei war der internationale Kampf gegen den Terrorismus das Leitmotiv.
Daniel Scheschkewitz, Deutsche Welle