Pöttering wird neuer Präsident des EU-Parlaments Der diskrete Charme der Blässe
Der breiten Öffentlichkeit ist er kaum bekannt, und doch zählt Hans-Gert Pöttering zu den einflussreichsten Personen im EU-Parlament. Heute wird der Chef der konservativen Fraktion zum Parlamentspräsidenten gewählt. Dorthin hat ihn nicht zuletzt sein zurückhaltendes Auftreten gebracht.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Ein lang gehegter Wunsch von Hans-Gerd Pöttering dürfte in Erfüllung gehen, wenn er zum Präsidenten des Europa-Parlaments gewählt worden ist. Seit 1999 war er Fraktionschef der Konservativen, damit einer der wichtigsten Akteure im EU-Parlament. Aber er beklagt sich: "In den siebeneinhalb Jahren, in denen ich Fraktionschef war, bin ich nie in eine Talkshow des Deutschen Fernsehens eingeladen worden. Nicht dass ich dies für mich persönlich beklagen würde. Aber es ist ein Defizit der Europa-Politik." Ein deutscher Präsident mag das EU-Parlament insgesamt gerade in der deutschen Öffentlichkeit wieder besser in Erinnerung rufen.
Mit der Amtsübernahme gibt der 61-Jährige aus dem niedersächsischen Bad Iburg aber auch einiges auf. Als Chef der größten Fraktion hatte der CDU-Politiker erheblichen politischen Einfluss, als Präsident wird er eher moderieren und repräsentieren müssen.
Handel zwischen Fraktionen
Seit 2004 stand fest, dass ein Christdemokrat auf den Präsidentenstuhl kommen würde – und alles sprach für Pöttering. Damals nämlich gab es eine Absprache zwischen den europäischen Konservativen mit Pöttering an der Spitze und den europäischen Sozialisten mit dem Deutschen Martin Schulz an der Spitze: Sie verabredeten, dass sich beide Parteien für jeweils zweieinhalb Jahre das Präsidentenamt teilen würden.
Nach dem Sozialisten Josep Borrell aus Spanien kommt nun der Christdemokrat Pöttering - was dem grünen Europäer Daniel Cohn-Bendit gar nicht gefällt: "Pöttering ist ein Mann der Großen Koalition. Als Mensch ist er anständig. Aber politisch müssen wir ihm was entgegensetzen", fordert Cohn-Bendit. Deswegen wird Pöttering Gegenkandidaten haben, die aber chancenlos sind.
Leise Töne, gute Kleidung
Dass Pöttering nie in die Talkshows geladen wurde, mag mit seinem Ruf zusammenhängen. Der stets adrett gekleidete, freundlich-verbindliche Mann gilt als etwas fade, ist zumindest in der Öffentlichkeit kein Freund starker Machtworte. Typisch für ihn ist so eine Aussage: "Europa verlangt mehr als alles andere die Fähigkeit zum Kompromiss."
Er kann im Hinterzimmer auch mal ausrasten, wenn er sich ärgert. Aber kontrolliert wie er ist, geht er dann den Weg des politisch Machbaren. Und da ist er zielstrebig und erfolgreich. Die 267-köpfige Fraktion der Christdemokraten und Konservativen gilt als schwierig - eigenwillige Briten, manch rechtslastiger Kopf aus Osteuropa. Wo andere schimpften, versuchte Pöttering den Laden zusammenzuhalten, um den Machtfaktor nicht aufzugeben.
Der Einfluss wächst
Der studierte Jurist hat eigentlich beruflich nie mehr gemacht als CDU-Politik, ist auf dieser Leiter nach oben geklettert. Seit 1979 sitzt er im Europa-Parlament. Damals, erinnert sich Pöttering, hatte das Parlament überhaupt keine gesetzgeberischen Kompetenzen. "Heute ist es fast gleichberechtigt gegenüber dem Ministerrat."
Die Kompetenzen könnten durch die geplante Verfassung noch mehr werden. Hier aber sieht Pöttering auch seine erste große Herausforderung. Denn es gibt die Sorge, dass das Parlament beim Neuanlauf für eine EU-Verfassung als Beteiligter vergessen werden könnte. "Wenn wir da auf Ablehnung stoßen, haben wir ein Problem", betont der Niedersachse. Das soll eine Drohung sein. Pöttering ist ein Meister des wohl abgewogenen Wortes. Und das kann ihm im neuen Amt nur nützen.