EU-Außenminister finden Konsens Türkei-Verhandlungen teilweise auf Eis
Die EU-Außenminister haben sich auf eine Linie für das weitere Vorgehen in der Türkei-Krise geeinigt: In acht von 35 Bereichen sollen die Verhandlungen auf Eis gelegt werden. Auch ein Ultimatum ist vom Tisch. Kanzlerin Merkel begrüßte die Einigung, der türkische Ministerpräsident Erdogan nannte sie "ungerecht".
Die Europäische Union wird die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei teilweise aussetzen. Darauf einigten sich die Außenminister der 25 EU-Staaten bei ihrem Treffen in Brüssel, wie die finnische Ratspräsidentschaft bestätigte. Danach werden acht von 35 Beitrittskapiteln auf Eis gelegt, wie es die EU-Kommission im Vorfeld des Treffens vorgeschlagen hatte. Der niederländische Außenminister Ben Bot hatte noch kurz vor Beginn des Treffens gefordert, es müssten zehn Kapitel ausgesetzt werden. Großbritannien und andere Staaten wollten dagegen höchstens drei Kapitel von den Verhandlungen ausnehmen.
Erdogan: "Eine Ungerechtigkeit gegenüber der Türkei"
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Einigung. Der Beschluss trage der Tatsache Rechnung, dass die Türkei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Ankara-Protokolls nicht nachgekommen sei, so Merkel. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte die Entscheidung hingegen. Die Forderung der EU, dass die Türkei ihre See- und Flughäfen für das EU-Mitglied Zypern öffnen müsse, sei "eine Ungerechtigkeit gegenüber der Türkei", sagte er vor Abgeordneten. Erdogan erklärte weiter, die EU sei nicht in der Lage, den Konflikt um die geteilte Mittelmeerinsel Zypern zu lösen. Die Vereinten Nationen sollten sich deshalb in diesen Streit einschalten.
Kein Ultimatum an die Türkei
Als schwieriger als der Umfang der einzufrierenden Verhandlungen erwies sich die Frage einer neuen Frist an die Türkei, wie sie in abgeschwächter Form auch Merkel gefordert hatte. Vor allem Zypern und Griechenland pochten darauf. Aber auch hier einigten sich die EU-Außenminister auf einen Kompromiss. Danach wird die Kommission wie ohnehin geplant in den kommenden drei Jahren über Fortschritte im Zypernstreit beraten. Auf dieser Grundlage sollen die EU-Staaten über weitere Schritte in den Beitrittsverhandlungen entscheiden. Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik betonte, dies sei kein Ultimatum. Es gehe auch nicht um Sanktionen. Die EU müsse aber glaubwürdig bleiben.
Isolierung Nordzyperns soll beendet werden
Als Zugeständnis an die Türkei wollten einige EU-Staaten nach Diplomatenangaben auch einen Passus zu Nordzypern in die Ministerrats-Erklärung aufnehmen. Sie wollten darin grundsätzlich ihren Willen zum Ausdruck bringen, die Isolierung des Nordens der geteilten Insel zu beenden, den die Türkei 1974 militärisch besetzt hatte. Dagegen hatte sich die Republik Zypern bisher stets gewehrt, obwohl die EU dies den Türken im Dezember 2004 im Grundsatz zugesagt hatte.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte dazu, Zypern habe zugestanden, Finanzhilfen für den türkischen Norden nicht mehr zu blockieren. Auch solle direkter Handel zwischen Nordzypern und der EU ermöglicht werden. "Dazu hat sich Zypern heute politisch ausdrücklich bereit erklärt. Das war auch einer der Schlüssel zur Lösung". Steinmeier räumte aber ein, Zypern habe keine schriftliche Erklärung dazu abgegeben. Die Zyprer hätten allerdings zugesichert, beim nächsten EU-Außenministertreffen im Januar Erleichterungen für Nordzypern zuzustimmen.
Man habe sich "auf ein Gesamtpaket geeinigt, das allen Seiten gerecht wird", fasste Steinmeier das Ergebnis des Treffens zusammen. Mit der Einigung sei es gelungen, eine Türkei Krise auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag abzuwenden, sagte Österreichs Außenministerin Plassnik. Der Streit hatte sich an der Weigerung der Türkei ihre Häfen und Flughäfen wie zugesagt vollständig für die Republik Zypern zu öffnen, die seit 2004 EU-Mitglied ist.