Empfehlung der EU-Kommission: EU setzt Türkei-Verhandlungen aus
Die EU-Kommission hat den Mitgliedsstaaten der EU empfohlen, einen Teil der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Bundeskanzlerin Merkel bekräftigte, die vereinbarte Öffnung der türkischen Häfen für Schiffe aus Zypern müsse durchgesetzt werden.
Nach dem Scheitern einer Einigung im Zypern-Streit hat die EU-Kommission empfohlen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei in einigen Bereichen auszusetzen. Aus den Verhandlungen ausgenommen werden sollen acht Verhandlungsbereiche, sogenannte Kapitel, die mit den Handelsbeziehungen zu tun haben. Eine endgültige Entscheidung über das weitere Vorgehen bei den Beitrittsgesprächen werden die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am 11. Dezember oder spätestens die Staats- und Regierungschef beim Gipfel am 14. und 15. Dezember treffen.
"Es gibt Kapitel, die noch nicht geöffnet werden können", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie bekräftigte, dass das Ankara-Protokoll durchgesetzt werden müsse. Diese Vereinbarung sieht vor, die Zollunion zwischen der Türkei und der EU auf die zehn 2004 beigetretenen EU-Staaten auszudehnenen - also auch auf Zypern.
Blair: "Abbruch wäre schwerer Fehler"
Der britische Premierminister Tony Blair und der Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero wandten sich gegen einen generellen Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Es wäre "ein schwerer Fehler", der Türkei jetzt ein negatives Signal zu senden, sagte Blair. Zapatero forderte, die Tür zur EU für Ankara offen zu lassen.
Erweiterungskommissar Olli Rehn bezeichnete den Vorschlag der Kommission als "Verlangsamung des Verfahrens". Er betonte jedoch: "Der Zug kann weiterhin fahren." Rehn verwies auf den seiner Meinung nach sehr gelungenen Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Türkei, bei dem es einen konstruktiven Dialog zwischen dem Papst und dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gegeben. Papst Benedikt hatte mehrfach die Lage der religiösen Minderheiten in der Türkei angesprochen, die auch der EU-Sorge bereiten.
Erdogan: "Inakzeptabel"
Die türkischen Spitzenpolitiker reagierten jedoch auf die Verkündung der Kommissionsempfehlung negativ: Präsident Ahmet Necdet Sezer kündigte an, ein Gesetz für den Schutz der religiösen Minderheiten zu blockieren. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete eine teilweise Aussetzung laut türkischen Medienberichten als "inakzeptabel".
Am Freitag soll der finnische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Matti Vanhanen in die Türkei reisen, um Möglichkeiten für einen Kompromiss in letzter Minute auszuloten.
Einigung im Zypernstreit gescheitert
Der EU-Vorsitz hatte am Montag den letzten Anlauf für eine Einigung über die Öffnung türkischer Häfen für Schiffe aus Zypern für gescheitert erklärt und Folgen für die Beitrittsverhandlungen angekündigt.
Obwohl die Republik Zypern seit Mai 2004 der Europäischen Union angehört, verweigert die Regierung in Ankara Einfuhren aus Zypern. Die türkische Regierung versucht damit, Druck auf die EU auszuüben, die Wirtschaftsstrafen gegenüber der nur von Ankara anerkannten Republik Nordzypern aufzuheben.