Kommentar Nach Libyen droht die Sarkozyierung der EU?
Von Christopher Plass, hr-Hörfunkstudio Brüssel
Bundesaußenminister Steinmeier ist kein Model. Und er ist Diplomat. Cecilia Sarkozy war Model, hat sich eine gewisse Attraktivität bewahrt. Und sie spricht eine andere Sprache als eben die der diplomatischen Welt. Ob einem das gefällt oder nicht: Das war entscheidend. Im Dialog mit Despoten gelten andere Regeln als in einer Welt, die auf Recht basiert. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner konnte der französischen Präsidenten-Frau ein kleines, bezeichnendes Kompliment nicht vorenthalten, nämlich: „Sie hatte das Ohr der Führung“. Beim sogenannten Wüstensohn Gaddafi offenbar nicht ohne Belang.
Der trockene Part blieb der EU
Ferrero-Waldner hatte dagegen den üblichen Part der EU, den des trockenen Brotes der politischen Vereinbarungen und der finanziellen Versprechen. Darüber ärgern sich nicht wenige, die seit Jahren für die Freilassung der Bulgarinnen kämpfen. Gerade die deutsche Präsidentschaft hatte kurz vor einem Durchbruch gestanden, konnte den aber nicht vorzeitig feiern, weil jedes falsche Wort Katastrophen hätte auslösen können. Natürlich hätte auch Steinmeier die Geiseln – ich nenne sie hier so – nach der Freilassung gern nach Sofia begleitet.
Die Sarkozys griffen im richtigen Moment beherzt zu. Und vielleicht hatten sie – neben Cecilia – noch etwas mehr zu bieten. In Frankreich wird über Waffengeschäfte spekuliert.
Zu viele verschiedene Interessen und Stimmen
Den fünf Frauen und dem Arzt kann das egal sein. Sie haben ein furchtbares Martyrium erlitten, das beinahe in Vergessenheit geriet. In Brüssel müssen Diplomaten letztlich einräumen, dass der Zweck die Mittel heiligt. Deswegen gibt es – offen – kein böses Wort über das Vorgehen des Dream-Teams aus Paris. Europa musste im Tauziehen mit dem Herrscher aus Libyen eben auch erkennen, dass es immer noch nicht wirklich machtvoll auftreten kann. Zu viele verschiedene Stimmen und Interessen, wechselnde Präsidentschaften – und letztlich zuwenig unmittelbare Machtmittel.
Kaum Druckmittel gegen Libyen
Ghaddafi ist mit seinen Öl- und Gasreserven zu reich, als dass Europa ihn wirklich schwer unter Druck setzen kann. Libyen spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Migration von Afrika hinüber in die EU. Dessen eingedenk haben die Libyer den Preis buchstäblich höher getrieben. Libyen will immerhin stärker an Europa angebunden sein: Die EU darf nicht zu zaghaft sein, hierbei ihre Standards einzufordern – allen voran die Wahrung von Menschenrechten, die Libyen auf offener Bühne mit Füssen getreten hat.
Frankreichs Präsident spielt sich zum Retter Europas auf
Aber auch im eigenen Lager sind jetzt deutlichere Worte fällig. Der neue französische Präsident spielt sich zum Retter Europas auf, lässt dazu keine Gelegenheit aus. Mehrfach schon haben er und seine Leute die anderen Europäer düpiert: Die Mittelmeer-Politik soll seine Handschrift tragen und die Nahost-Politik soll eine Wendung nehmen.
Der Strahlemann von der Seine riskiert die europäische Solidarität und die gemeinschaftliche Politik, indem er zielsicher die Lorbeeren einzuheimsen versucht. Das Problem: Wer auf europäischer Ebene ist Mann’s – oder besser Frau’s genug, ihm das zu sagen. Und wo Sarkozy von Schauplatz zu Schauplatz hetzt: Wem hört er zu?