EU-Anti-Alkohol-Strategie "Warnung light" schont die Alkohol-Lobby
Selbst der EU-Gesundheitskommissar war verwundert, wie aggressiv die Alkoholindustrie gegen seine Pläne vorging: Am Ende hat die Alkohollobby einen Etappensieg errrungen, Warnhinweise auf Flaschen wird es zunächst nicht geben. Die Strategie der EU-Kommission lässt die Branche zunächst weitgehend unbehelligt.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
George Sandeman kann sich zunächst beruhigt einen genehmigen. Der Spross der berühmten Portwein-Familie aus dem Norden Portugals – 7. Generation – hat sein Ziel und das der gesamten Alkohol-Lobby erreicht. Die Strategie der EU-Kommission gegen gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsum legt der betroffenen Branchen keine Daumenschrauben an.
Brüssel hat dafür ohnehin keine unmittelbare Kompetenz. Die EU-Kommission plädiert vielmehr für Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der besseren Aufklärung gerade junger Leute mit Blick auf Alkoholgefahren. Das begrüßt Mister Sandeman, der für die CEEV spricht - eine der wichtigsten Wein-Lobbies in Brüssel - und er sieht seine Branche auch in der Pflicht.
Selbstverpflichtung gegen Vorgaben?
"Wenn wir jetzt nicht unseren Beitrag leisten, müssen wir sicher weitergehende Maßnahmen befürchten", sagt Sandeman mit Hinblick auf eine mögliche Verschärfung der Alkoholwarnungen. "Unsere Verpflichtung ist daher, einen Plan zu machen, der auch Auswirkungen hat."
Dieser Ansatz kann dem aus Zypern stammenden EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou nur recht sein. Monatelang musste er sich mit den Interessenverbänden auseinandersetzen, die alle möglichen Drangsalierungen befürchteten: angefangen bei Warnhinweisen aus Flaschen bis hin zu Vorgaben, ab wann Jugendliche eigentlich Alkohol kaufen dürfen.
Offensive Diskussion über Alkohol-Gefahren
Die Brüsseler Kommission kann das aber ohnehin nicht im Alleingang, wie Kyprianou offen eingesteht: "Es ist kein konkreter Gesetzgebungsvorschlag, sollte es auch nie sein. Es ist eine Strategie." Die Kommission will, dass in den Mitgliedsstaaten zunächst einmal offensiver über Folgen des Alkoholkonsums diskutiert wird. Schließlich greifen in der EU, so sagt die Kommission, mehr als fünfzig Millionen Bürger in besorgniserregender Weise zur Flasche. Das Kampftrinken ist eine Art Sport bei vielen Jugendlichen.
Nachdem schon im Vorfeld enormer Druck in einzelnen Mitgliedstaaten entfacht worden war, vor allem im Bier- und Weinland Deutschland, sagt die EU-Kommission in aller Vorsicht, dass die Kompetenz für die Anti-Alkohol-Politik bei den Mitgliedsstaaten liege. Brüssel verstehe seine Rolle so, dass Zusammenarbeit gefördert werden solle.
Aggressivität der Branche verwundert
Kyprianou sagte ausdrücklich, dass ihn die Aggressivität der Branche gewundert habe, die auch vor Falschinformationen nicht zurückgeschreckt habe. Er will, dass Anti-Alkohol-Maßnahmen in den Mitgliedsstaaten unter dem Blickwinkel erforscht werden, ob sie auch für einen europaweiten Ansatz Sinn machen: also zum Beispiel eine Null-Promille-Grenze für Fahranfänger oder Berufsfahrer.
Auch verbesserte Verbraucherinformationen regt die Kommission an, ohne dass konkret Warnhinweise auf Flaschen gefordert werden. Vor jeder verbindlichen Festlegung schreckt die Kommission zurück: angesichts der EU-Skepsis soll jeder Verdacht vermieden werden, dass Brüssel dem Bürger sein Gläschen Wein versauern will. Aus diesem Grund hat Kyprianou frühere Ideen auch verwässert.
Wein-Lobby will aufklären
Nach einer mehrjährigen Evaluation, so vermutet die Wein-Lobby, könnte Brüssel aber doch mit Verschärfungen drohen. Deswegen will die Interessen-Organisation CEEV in den nächsten Monaten in sechs Ländern – darunter Deutschland – einen Aufklärungs-Plan einbringen. Das hört sich noch so unscharf an wie die Anti-Alkohol-Strategie der EU. Aber es könnte sein, dass künftig der Sommelier, der Wein-Kellner im Restaurant, ihnen dezent sagt, dass man Wein nicht kippen sollte, sondern genießen.