Merkel in Istanbul Erdogan fordert mehr Flüchtlingshilfen
Die Türkei will mehr Unterstützung von der EU für syrische Flüchtlinge. Bis zu 400.000 Menschen seien in Nordsyrien auf der Flucht. Kanzlerin Merkel hingegen pochte auf die Freilassung deutscher Bürger in der Türkei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die EU aufgefordert, mehr Verantwortung für die Versorgung von syrischen Flüchtlingen zu übernehmen. "Dass Europa und die europäischen Länder den Syrern noch mehr und schnellere Hilfe leisten, ist allem voran eine menschliche Verantwortung", sagte Erdogan nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Istanbul.
400.000 Vertriebene in Nordsyrien
Die Türkei hat mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen. Doch seit den anhaltenden Kämpfen in der nördlichen Region Idlib sind weitere 400.000 Menschen auf der Flucht in Richtung der türkischen Grenze. Das syrische Militär rückte mit Hilfe russischer Luftangriffe dort gegen Aufständische, darunter auch Islamisten, vor.
Im Jahr 2016 hatte die EU mit der Türkei einen Flüchtlingsdeal ausgehandelt, der Migranten von der Weiterreise in die EU abhalten soll. Erdogan hatte in der Vergangenheit wiederholt gedroht, das Abkommen aufzukündigen.
Kanzlerin Angela Merkel erklärte, eine mögliche Form der Unterstützung sei es, in Nordsyrien - eine Region, die die Türkei kontrolliert - Notunterkünfte für Flüchtlinge zu bauen. Angesichts der Lage der Flüchtlinge im Winter werde die Bundesregierung prüfen, ob man dies finanziell fördern könne, sagte Merkel. "Ich kann mir vorstellen, dass wir für diese humanitäre Aktion deutsche Mittel geben können."
Dies wäre das erste Mal, dass Geld für türkische Maßnahmen in Nordsyrien fließen würde. Dort hat die Türkei eine umstrittene Sicherheitszone eingerichtet. Alle Umsiedlungen in der Sicherheitszone müssten mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk geklärt werden, sagte Merkel.
Vor den Kämpfen in Idlib sind etwa 400.000 Menschen auf der Flucht.
Türkei will libysche Soldaten ausbilden
Zudem kündigte Erdogan an, im Bürgerkriegsland Libyen die international anerkannte Regierung in Tripolis weiter militärisch zu unterstützen. Sowohl Ankara als auch Berlin setzen sich für einen Waffenstillstand ein, aber die Türkei schlägt sich klar auf eine Seite im Bürgerkrieg. Erdogan betonte aber, dass die türkischen Soldaten für Ausbildungszwecke dort seien.
Merkel pocht auf Freilassung von Deutschen
Merkel wiederum erklärte, sie habe sich um die Freilassung von in der Türkei inhaftierten Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft bemüht. Die Zahl der deutschen Staatsbürger, die aufgrund von Ausreisesperren in der Türkei festsitzen, war zuletzt gestiegen. Das Auswärtige Amt hatte kürzlich berichtet, der Bundesregierung seien zurzeit 74 solcher Fälle bekannt. Ende August war noch von 38 deutschen Staatsbürgern die Rede gewesen, die die Türkei aufgrund von Ausreisesperren nicht verlassen dürfen.
Streitpunkt Pressefreiheit
Weiter sagte Merkel, die Türkei habe zudem zugesagt, sich darum zu kümmern, dass bald Akkreditierungen für alle interessierten deutschen Journalisten für dieses Jahr ausgestellt würden. Ankara hatte solche Akkreditierungen und Arbeitsgenehmigungen zuletzt in mehreren Fällen verweigert.
Erdogan sagte dazu, die Kommunikationsbehörde sei zuständig für die Vergabe der Pressekarten. Er betonte, deutsche Journalisten würden nicht systematisch schlechter gestellt als andere Pressevertreter. "Meine Sensibilität in Sachen Pressefreiheit ist ohnehin bekannt und auch mein Kommunikationsdirektor ist diesbezüglich empfindlich", sagte Erdogan.
Journalisten und Regierungskritiker stehen in der Türkei vor allem seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 unter Druck. Erst im Dezember waren sieben Angestellte der oppositionellen Zeitung "Sözcü" wegen Terrorunterstützung zu Haftstrafen verurteilt worden. Zahlreiche Journalisten sind in der Türkei inhaftiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei Platz 157 von 180.