Spanische Exklave Ceuta Enttäuschte Hoffnung
Nachdem Marokko seine Grenze zu Ceuta faktisch geöffnet hat, sind 6000 Marokkaner in die spanische Nordafrika-Exklave geschwommen. Ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Europa dürfte aber enttäuscht werden.
Menschen rennen teilweise mit Taschenlampen und Rucksäcken im Dunkeln an felsigen Stränden entlang, schwimmen mit Schwimmringen an die Strände von Ceuta - der spanischen Exklave in Marokko. Diese Videos kursieren derzeit in sozialen Medien. Das Ziel der jungen Männer und Frauen mit Kindern: europäischer Boden.
Von marokkanischen Sicherheitskräften ungehindert sollen so binnen eines Tages Tausende nach Ceuta gelangt sein. Unter ihnen auch Ouarda, eine junge Mutter, 26 Jahre alt, geschieden mit kleinen Kindern. In Ceuta sehe sie eine Chance, erzählte sie der französischen Nachrichtenagentur AFP.
"Ich will die Grenze überqueren, um die Zukunft meines Sohnes zu sichern, denn in Tetouan gibt es nichts." Es sei eine Touristenstadt, sagt Ouarda. "Du musst Miete bezahlen, du hast Kinder und Eltern, um die du dich kümmern musst - da gibt es keinen Raum für Angst mehr."
Migranten suchen Arbeit
Unter den Ankommenden sind vor allem junge Marokkaner, wie der 26-jährige Mohammed. In seinem Heimatland habe er keine Zukunft, deswegen wolle er mit allen Mitteln nach Europa. "Wie Sie sehen: Alle jungen Leute wollen das Land verlassen. Hier gibt es keine Arbeit."
Auch in der Exklave Melilla versuchten nach offiziellen Angaben mehrere hundert Menschen Meter hohe Grenzzäune mit Stacheldraht zu überwinden. Immer wieder gelangen Menschen illegal über die Grenzen. Nach Angaben des spanischen Innenministeriums waren dieses Jahr bislang 475 Migranten auf dem Land- oder Seeweg nach Ceuta gekommen - auch das waren schon doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum.
Der Druck auf die spanische Exklave ist aber nicht nur groß, weil Menschen aus Marokko und anderen afrikanischen Staaten hier einen Weg nach Europa suchen. Auch die Stadt Ceuta selbst ist wirtschaftlich wichtig für viele Familien in Marokko, erklärt Migrationsexperte und Soziologe Mehdi Alioua.
"Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie waren Grenzübertritte Normalität. Selbst wenn es für viele Marokkaner kompliziert war, sahen wir Hunderte und Tausende Marokkaner, die jeden Tag die Grenzen regulär zum Arbeiten zwischen Spanien und Marokko überquerten. Wir sind also hier sehr stark wirtschaftlich betroffen durch die Grenzschließungen, was auch mit erklärt, warum Tausende Marokkaner nun illegal die Grenzen überquert haben."
Marokko erhält Millionen EU-Hilfen
Die monatelangen Grenzschließungen haben schon zu Demonstrationen in marokkanischen Grenzstädten geführt. Die spanische Exklave bietet vielen einen wirtschaftlichen Rettungsanker in einer armen Region - durch die Möglichkeit zum Beispiel als Reinigungskräfte, Handwerker oder Hilfsarbeiter Geld zu verdienen oder zollfrei Waren ein- und in Marokko weiterzuverkaufen.
Aber wieso konnten jetzt Tausende Menschen aus Marokko auf einmal illegal die Grenzen passieren, offenbar ohne dass marokkanische Sicherheitskräfte eingeschritten sind? Die Grenzen sind normalerweise sehr gut bewacht, Marokko erhält für den Grenzschutz Millionen Euro Finanzhilfe von der EU. Beobachter vermuten: Der Grund könnte das angespannte Verhältnis zu Spanien sein.
Unabhängigkeitsbewegung fordert eigenen Staat
"Sicherlich sind bilaterale Kooperationen gerade beim Grenzschutz nicht so effektiv, wenn man sich nicht versteht", sagt der marokkanische Migrationsexperte Alioua. "Wenn eine Partei die andere belügt, nicht alle Informationen frei gibt oder für das Empfinden der anderen Partei sie hintergeht, hat man natürlich keine Lust mehr bilateral zusammenzuarbeiten."
Tatsächlich ist Marokko momentan politisch nicht gut auf Spanien zu sprechen. Der Grund: Aktuell wird der Chef der Unabhängigkeitsbewegung Polisario in einem spanischen Krankenhaus behandelt. Das hat in Rabat für Zorn gesorgt. Die Polisario-Front fordert einen eigenen Staat in der sogenannten Westsahara, ehemals spanische Kolonie. Marokko sieht die Region als Staatsgebiet an und hat sie größtenteils unter Kontrolle.
Spannungen hatten sich verschärft
Erst vor Kurzem hatten sich die Spannungen in dem jahrzehntelangen Konflikt wieder verschärft. Auch die Anerkennung der Westsahara als marokkanisches Gebiet durch Ex-US-Präsident Donald Trump hat für Spannungen zwischen Marokko und mehreren europäischen Staaten gesorgt, die dem kritisch gegenüberstehen. Auch Deutschlands diplomatische Beziehungen zu Marokko liegen aktuell auf Eis.
Für viele der 6000 Marokkaner, die jetzt in Ceuta angekommen sind, wird der Traum von Europa ein Traum bleiben. Spanien hat verkündet: Mehr als 1000 Migranten seien bereits wieder zurück nach Marokko gebracht worden.