Putin-Kritiker in Moskau erschossen Ermittler gehen von Auftragsmord aus
Nach dem Attentat auf den Kreml-Kritiker Nemzow gehen Ermittler von einem Auftragsmord aus - die Tat sei "minutiös geplant" gewesen. Freunde von Nemzow vermuten ein politisches Motiv. In Russland aber auch international sorgte die Tat für Entsetzen.
Nach dem Attentat auf den Kreml-Kritiker Nemzow gehen die russischen Ermittler von einem Auftragsmord aus. Demnach sei die Tat "minutiös geplant" gewesen. Freunde von Nemzow vermuten ein politisches Motiv. In Russland aber auch international sorgte die Tat für Entsetzen.
Der Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow war nach ersten Angaben der Ermittler "minutiös geplant". Auch der Tatort sei sehr genau ausgewählt worden, erklärte das zuständige Ermittlungskomitee. Der 55-jährige Kritiker von Präsident Wladimir Putin war am Freitagabend im Herzen Moskaus auf offener Straße erschossen worden.
Den Ermittlern zufolge wurde aus einem Auto heraus auf Nemzow gefeuert, der mit seiner weiblichen Begleitung zu seiner nahe gelegenen Wohnung gehen wollte. Die Beiden befand sich auf einer Brücke, die sich unmittelbar am Kreml befindet. Es sei "offensichtlich", dass die "Organisatoren und Ausführenden des Verbrechens" wussten, welchen Weg Nemzow nehmen würde, hieß es in der Erklärung weiter. Nemzow wurde mehrmals in den Rücken geschossen.
Die Täter nutzten laut den Ermittlern offenbar eine Makarow-Pistole, wie sie vom russischen Militär und der Polizei verwendet wird. Am Tatort seien sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller gefunden worden, was die Fahndungsarbeit erschwere. Die Zeugen des Mordes wurden laut dem Komitee bereits vernommen.
In einem Interview vor zwei Wochen hatte Nemzow noch gesagt, er fühle sich bedroht. Vor allem seine Mutter mache sich große Sorgen um seine Sicherheit. "Immer wenn ich sie anrufe, fragt sie mich: 'Wann wirst du aufhören, Putin zu kritisieren? Er wird dich töten'." Auf die Frage, ob er um sein Leben fürchte, hatte Nemzow in dem Interview gesagt: "Ja, ein bisschen." Die Angst vor der Rache des russischen Präsidenten sei aber nicht so groß, dass sie ihn davon abhalten könne, weiter gegen die Regierung zu kämpfen.
Demonstration gegen russische Regierung abgesagt
Heute verurteilte Präsident Putin den "brutalen Mord". Er sprach von einer politischen "Provokation". Die Bluttat habe alle Anzeichen eines Auftragsmordes, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Die Situation in Russland ist angesichts des Ukraine-Konflikts gespannt. Nemzow gehörte zu den prominenten Wortführern der Opposition, die an diesem Sonntag in Moskau Tausende unzufriedene Russen zu einem Marsch von Regierungsgegnern auf die Straße bringen wollte. Die Organisatoren sprachen sich dafür aus, die Kundgebung abzusagen.
Allerdings ist nun ein Gedenkmarsch für Nemzow geplant, den die Stadtverwaltung von Moskau bereits genehmigte. Das sagte ein Sprecher der Stadt der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Die Route führe dabei auch am Tatort vorbei. Erlaubt sei eine Zahl von bis zu 50.000 Teilnehmern.
Regierungsgegner gehen bei der Ermordung Nemzows von einer politisch motivierten Tat aus. Der Kreml-Kritiker Michail Kasjanow sagte: "Dass ein führender Oppositioneller in der Nähe der Mauer des Kreml erschossen werden kann, liegt jenseits der Vorstellungskraft." Es könne nur eine Deutung der Tat geben: "Er wurde erschossen, weil er die Wahrheit gesagt hat." "Für mich gibt es nur ein Motiv und das ist ein politisches", sagte auch ein enger Freund Nemzows, der Oppositionspolitiker Sergei Dawidis. Nemzow hatte der russischen Regierung zuletzt Aggression gegen die Ukraine vorgeworfen und sich dadurch auch Feinde im rechtsextremen Lager gemacht.
Der frühere Kremlchef Michail Gorbatschow warnte nach dem Mord an Nemzow vor einer Destabilisierung der Lage in Russland. "Das ist ein Versuch, die Situation zu verschlimmern, vielleicht sogar die Lage im Land zu destabilisieren, die Konfrontation zu verschärfen", sagte Gorbatschow.
Aufklärung gefordert
International löste das Attentat auf Nemzow Entsetzen aus. In einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung forderte US-Präsident Barack Obama die russische Führung zu einer "schnellen, unvoreingenommenen und transparenten" Aufklärung des Verbrechens auf.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bestürzt und drängte Putin ebenfalls zur Aufklärung des Verbrechens, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch der französische Präsident François Hollande verurteilte das "abscheuliche Attentat" und beschrieb Nemzow als "mutigen und unermüdlichen Verteidiger der Demokratie und hartnäckigen Kämpfer gegen Korruption".
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, gab Putin eine Mitverantwortung an der Ermordung. Der "Welt am Sonntag" sagte Röttgen: "Das Attentat wirft ein Schlaglicht auf die veränderte innere Verfassung Russlands und das innere Meinungsklima, das vor allem in den staatlichen Medien durch aggressiven Nationalismus und Militarismus geprägt wird." Hier liege eine Verantwortung Putins, so Röttgen. Die Tat bezeichnete er als "verabscheuungswürdig".